Apfelblüten

IC Writing

Und noch ein kleiner Archiv-Fund. Dieses Mal aus dem Jahr 2006… Unglaublich, wie lange es diesen Blog eigentlich tatsächlich gibt O.o  – die erste Version erblickte Anfang 2002 das Licht des Webs. ;)
Es ist wie im echten Leben: 3x umgezogen ist fast so schlimm wie ein Mal abgebrannt.
Wie auch immer… eine kleine Geschichte aus Kindheitstagen. ;) Have Fun!

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Draußen vor unserem Küchenfenster steht so ein netter kleiner Birnbaum.
Mitte der vorletzten Woche meinte er dann endlich mal blühen zu müssen und auch die Blätter – bisher nur kleine Knospen – entfalteten sich endlich. Am Wochenende darauf hatte ich dann ein Schauspiel vor Augen, welches ich in den letzten Jahren zwar zur Kenntnis genommen hatte, aber mich nicht so wirklich darauf einließ.
Der laue Frühlingswind trieb die ersten Blüten in einem wahren Blütenregen vom Baum und durch den Garten. Es hatte etwas von Schnee im Frühling und doch war es völlig anders.

Beim Anblick der im Wind treibenden Blütenblätter erinnerte ich mich plötzlich an die Apfelblüten meiner Kindheit. Damals wohnte ich noch in einem kleinen Dorf, besuchte gerade mal die so genannte Förderstufe im Nachbarort (5. u. 6. Klasse) und die Welt war irgendwie noch in Ordnung. Was wusste ich damals schon von den Problemen, die Erwachsene so umtreiben können… – mal abgesehen davon, dass meine Eltern sich nicht mehr so lieb hatten und sich gerade hatten scheiden lassen.
3 km weiter gab es also diesen Nachbarort. Dort wurde jedes Jahr das Apfelblütenfest gefeiert. Warum verstand ich eigentlich nie, weil so viele Apfelbäume kannte ich in der Gegend eigentlich gar nicht, noch, dass ich wüsste, dass es dort je so viele gegeben hätte. Da war mir ein ganz bestimmter Pflaumenbaum aber deutlich bekannter und Objekt so mancher Klettertouren und Erkenntnisse…
Schon mal grüne Pflaumen mit Salz gegessen? Ich schon. *lach* Ein türkisches Mädchen – dessen Namen ich längst vergessen habe – brachte uns das damals bei und sie meinte, das wäre in ihrem Land eine Tradition. Ob das stimmt kann ich bis heute nicht sagen. Geschadet hat es uns nicht und wenn auch ungewohnt, so schmeckte das gar nicht mal so schlecht. Ich habe allerdings in meinem ganzen Leben nie wieder grüne Pflaumen mit Salz gegessen.

Es gab da also dieses Apfelblütenfest.
Alles war in der Zeit auf Apfelblüten eingestellt. Die Eisdiele hatte massenweise Milcheis in Kirsch-, Erdbeer- und Melonengeschmack (Apfel trauten die sich wohl nicht *g*, aber die Farbe passte). Die Farben weiß, rot und rosa beherrschten irgendwie das Straßenbild und man hatte den Eindruck, in der Luft läge immer so ein leicht süßer Geruch, was gar nicht mal so unlogisch war, schließlich blühte es ja überall und Obstbäume gab es wirklich mehr als genug in der Umgebung.

Eines Tages, es war schon sehr warm, radelte ich auf dem Fahrradweg vom Nachbarort nach Hause. Damals durfte ich schon mit dem Fahrrad in die Schule fahren, wenn das Wetter nicht all zu mies war und ich fand das ganz toll! Ich hasste diesen ständig überfüllten und engen Schulbus, der so furchtbar nach Plastik und imprägnierten Stoffbezügen roch. Davon abgesehen, dass ich als eine der Kleineren mich gegen die Großen nie so recht durchsetzen konnte und meistens stehen musste. Da es normale Reisebusse und keine Linienbusse waren, war das eine verteufelt schwierige Angelegenheit da auf seinen Beinen stehen zu bleiben. An die Haltegriffe oben reichte ich nicht ran und die Griffe an den Sitzen waren sowieso nur Makulatur, wenn man überhaupt einen ergattern konnte. Umfallen war allerdings auch relativ schwierig. Dazu fehlte definitiv der Platz im Bus. *fg*
So radelte ich also, wann immer ich durfte, in die Schule und wieder nach Hause.
Mein Weg führte mich dabei zwischen den beiden Ortschaften an Feldern und Wiesen auf der einen und einem recht steil ansteigenden Hang auf der anderen Seite vorbei. Es gab nur auf der Seite mit den Feldern und Wiesen diesen Fahrradweg. Auf dem Hang standen oben einige Häuser und darunter gab es auf fast der ganzen Streckenlänge Koppeln mit Pferden und Kühen und darauf standen auch einige Obstbäume. Ein paar Apfelbäume, meist aber eher Birne und vor allem Pflaumen- und Kirschbäume.
Zwischen Radweg und Strasse befand sich ein recht breiter Grünstreifen. Früher war der einfach nur mit Gras bewachsen und ansonsten kahl. Im vorletzten Jahr aber hatte man auf dem Grünstreifen junge Bäume gepflanzt. Und genau die waren schon seit ein paar Tagen voll mit rosa Blütendolden in allen möglichen hellen Schattierungen. Frag mich mal keiner was für Bäume das nun wirklich waren. Ich habe echt KEINEN Schimmer…
Jedenfalls – ich war gerade auf dem Rückweg von der Schule und der Tag war einfach nur sonnehell, warm und schön – radelt ich also gerade aus dem Nachbarort raus. Auf der Strasse lagen schon einige Blütenblätter. Ich war gerade so auf dem ersten Drittel des Fahrradweges als ein leichter, warmer Wind aufkam. Urplötzlich fuhr ich durch einen wahren Regen aus Blütenblättern. Ich war so fasziniert, dass ich anhielt, das Fahrrad abstellte und – frag mich jetzt keiner warum… Kinder sind halt so… *hust* – lachend durch diesen Blütenregen hüpfte. Die Blüten fühlten sich irgendwie so toll weich und samten auf der nackten Haut an, da wo sie auf mich fielen. Ich sammelte einige der Blütenblätter von meinen Armen ab und legte sie zwischen den Seiten eines Schulbuches.
Nach wenigen Minuten war das Schauspiel auch schon vorbei und ich machte mich auf den Heimweg. Dort angekommen legte ich die Blütenblätter sorgsam in eines meiner damaligen Lieblingsbücher und… vergas sie nach einiger Zeit dort auch…

Jahre später – meine Mom und ich waren mittlerweile umgezogen – fiel mir das Buch wieder in die Hände und ich begann zu lesen. Irgendwann stieß ich auf die Blütenblätter. Sie waren gar nicht mehr schön anzusehen. Braun und fleckig lagen sie zwischen den Seiten. Als ich sie herausnehmen wollte zerbröselten sie regelrecht. Aber die Seiten rochen noch nach den Blüten, fast so ähnlich wie damals, als ich durch den Blütenregen fuhr.
Ich besitze das Buch nicht mehr. Ob die Seiten wohl immer noch nach den Blütenblättern riechen? Ist es nicht unglaublich an was man sich so erinnert und welch einfache Dinge einen in der Kindheit glücklich machen konnten? Man sollte die Welt vielleicht doch öfter mal wieder mit Kinderaugen sehen… ;o)

Es liegen zwei Birnenblütenblätter im ersten Buch meiner Ausgabe von „Herr der Ringe“. Klar ist es irgendwie völlig unsinnig und wird mir die Zeit von damals nicht zurückbringen. Aber Erinnerungen sind manchmal wie ein Schatz und man tut dann eben auch Dinge mit einem leisen Lächeln nur um der Erinnerung willen… :o)

Vic
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Klein, bekloppt, chaotisch, unkonventionell und erwachsen werden ist nicht mehr drin. ;) Technik-affin, Spiele-Freak, Leseratte und noch so einiges mehr. Vor allem aber ohne meine Fellnase(n) total aufgeschmissen! Willkommen in meiner kleinen, verrückten (Märchen-)Welt. Noch Fragen? Dann fragt doch einfach! ;)