Die Würde des Menschen ist unantastbar

Black Rivers

Art. 1, GG
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Es ist DER Grundsatz der deutschen Verfassung. Genau der Grundsatz, der durch die Verfassung selbst der sogenannten Ewigkeitsklausel unterliegt, was nichts anderes bedeutet als das an diesem Artikel nichts und niemand schrauben kann. Es sei denn, wir schaffen einfach unser gesamtes Grundgesetz, also unsere Verfassung ab, was allerdings auch wieder gesetzeswidrig wäre. Zumindest in der Art und Weise, wie derzeit Gesetze erlassen, beschlossen und/oder aufgehoben werden. Eins der liebsten Hobbys unserer Politiker und das muss man auch einfach mal verstehen, ihr Lieben, denn immerhin muss die Zeit einer Legislatur-Periode auch irgendwie herum gebracht werden und das sollte dann möglichst auch nach sinnvollem „rumbringen“ aussehen. Punkt. *hust*

Die Würde des Menschen ist also von Rechts wegen unantastbar. Daran gibt es nichts zu rütteln.
Woran aber immer wieder gerne mal gerüttelt wird, ist die Definition dieses Satzes. Wie zur Hölle legt man also bitte diesen Satz unserer Vorväter aus? Wie weit können Judikative, Legislative und Exekutive gehen OHNE diesen Grundsatz zu verletzen? Wikipedia hat da mittlerweile einen wirklich eindrucksvollen Text zum Thema der Menschenwürde an sich, Historie, religiöse Wurzeln, Traditionen, Definitionen usw., sowie der Einbindung in die deutsche Gesetzgebung. Alles, was man über das Thema der Menschenwürde wissen möchte an einer Stelle…
…und am Ende dieses Textes wird einem der Kopf schwirren vor lauter Daten, Fakten und Erklärungen. Ist es nicht faszinierend, wie sehr man sich bemüht die Würde des Menschen zu erklären, zu definieren und diverse Meinungen dazu zu transportieren?
Man fragt sich: Warum ist das eigentlich nötig? Es ist doch eigentlich total einfach:
Die Würde eines Menschen wird genau da verletzt/angetastet, wo ein Mensch sich verbal, physisch oder psychisch angegriffen fühlt. Eine simple Beleidigung z.B. ist schon ein Angriff auf die Würde eines Menschen. Wie schwer dieser Angriff nun wirklich wiegt, kann tatsächlich immer nur der betroffene Mensch wirklich bewerten, beantworten.
Okay… so gesehen versteht man recht schnell, warum es überhaupt einer Definition dieses an sich simplen Satzes bedarf. Wo hört die alltägliche Gesellschaftspolitik der Menschen untereinander auf und wo fängt die Rechtsprechung als staatliches Instrument tatsächlich an. Es ist schließlich nicht so, dass unsere Gerichte unterfordert wären.

Gut… ich stelle also mal, so rein für mich – man kann sich dem anschließen, man kann es auch lassen – fest, dass es gewisser Definitionen und Unterscheidungen braucht um Alltäglichkeiten einer Gesellschaft von tatsächlich verurteilungswürdigen Taten abzugrenzen. Sonst könnte man alles und jeden wegen Art. 1 des GG verklagen. Denn ein Recht auf Klage unter Berufung auf die Grundrechte ist in unserem Land ebenfalls jedem per Verfassung zugesichert:

Art. 3, GG
Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

So weit, so gut und alles Bestens.
Bestens?!
Bestens ist hier mal gar nichts! Zumindest nicht in Deutschland!

Deutschland hat Defakto mehrere Klassengesellschaften in seinem System etabliert. Ganz still und leise. Die offensichtlichsten sind das Gesundheitswesen und Hartz IV.
Wer nicht privat oder zumindest zusätzlich versichert ist, der kann sich warm anziehen, denn es werden lange nicht mehr wirklich alle Maßnahmen übernommen, die auch wirklich für eine optimale Genesung angezeigt wären. Der Otto-Normal-Versicherte wird nur noch mit dem Notwendigsten versorgt und selbst dafür muss oft genug noch tief in die eigene Tasche gegriffen werden. Ob man sich das leisten kann oder nicht, steht überhaupt nicht zur Debatte. Das Gejammer der Krankenkassen ist schon so normal, dass es von der Bevölkerung nicht mal mehr wirklich wahrgenommen wird. Da fällt es dann auch kaum noch auf, dass sich so mancher Chef diverser Krankenkassen mal wieder eine saftige Erhöhung seines Gehaltes gönnt. So eine Millionen Gehalt im Jahr sind schließlich nur Peanuts. Wer kann davon heutzutage schon leben. Das wird ja wohl jeder gesetzlich Versicherte verstehen…

Der für mich aber immer noch eklatanteste Verstoß gegen Art. 1 des GG ist HartzIV in seiner praktischen Ausführung.
Wer einen Antrag auf HartzIV stellen muss, der stellt im gleichen Atemzug einen Antrag auf Entwürdigung und Entzug jedweder Glaubwürdigkeit seiner gesamten Person UND wird in der geradezu formvollendeten Ausführung des stattgegebenen Antrages zu keiner Zeit jemals enttäuscht!
Du bist nichts, du hast nichts und auf Menschenwürde hast du per Antrag verzichtet.

Vor HartzIV sind schon mal NICHT alle Menschen gleich. Ein kleines Beispiel von ungezählten:
Ein Mietshaus mit mehreren Mietparteien. Mietparei A erhält bereits mehr als 3 Jahre HartzIV. Mietpartei B bekommt erst seit knapp 2 Jahren HartzIV und Mietzuschüsse daraus sogar erst seit etwas über einem Jahr. Mietpartei B hat also dem Amt sogar noch einige Monate an Kosten gespart. Genau DAS wird der Mietpartei dann aber zum Verhängnis: In der Zeit, in der Mietpartei B noch keine Mietzuschüsse/Wohngelder beantragt hatte, wurde die Miete für alle Mietparteien erhöht. Erst nach dieser Erhöhung musste Mietpartei B schließlich auch Wohngelder beantragen und bekommt nun jeden Monat 20 Euro vom Regelsatz ABGEZOGEN, da ihre Wohnung ja 20 Euro zu teuer sei als üblicherweise gezahlt würde. Mietpartei A bekommt die KOMPLETTE Miete bezahlt, da er ja als „Bestandskunde lange genug Kunde des Jobcenters sei und daher eine Erhöhung selbstverständlich übernommen werde“.
BESTANDSKUNDE?!
Das es solch einen Begriff überhaupt auf Seiten von Arge und Jobcentern gibt ist schon der Kracher schlechthin.
Das man als „Neukunde“ dann auch noch schlechter gestellt wird als ein „Bestandskunden“… darüber möchte ich jetzt ehrlich nichts sagen, weil, … da fehlen einem einfach die Worte. Mir zumindest.

Um HartzIV überhaupt zu bekommen, bedarf es sowieso schon so einiger Nerven. Tatsächlich ist es so, dass man während der Antragsphase ganz gepflegt verhungern und/oder erfrieren und/oder obdachlos werden… kann und das kratzt NIEMANDEN der bearbeitenden Mitarbeiter. Warum auch? Sie haben es doch recht gemütlich und warm, ihr Auskommen, (noch) einen Job…
In meinem ganz persönlichen Fall kam tatsächlich erst Bewegung in die Sache, als ich schließlich auch den letzten Rest meiner Nerven verlor und peinlicherweise Rotz und Wasser flennend im Büro der Sachbearbeiterin stand, die mir eigentlich gerade gesagt hatte, dass über meinen Antrag nach wie vor nicht entschieden werden könne wegen blahdiblubb ihr Mann… Als mir NUN ENDLICH mal Teile des Antrages stattgegeben wurden, zog man allerdings auch gleich noch zwei Monate der Antragsstellung ab. Die Begründung habe ich bis heute nicht verstanden… Ich war letztlich einfach froh, dass sich überhaupt etwas tat.
Wenn ich allerdings gedacht haben sollte, dass damit das Kapitel weiterer Erniedrigungen geschlossen sei, sah ich mich sehr schnell eines besseren belehrt.

Ich wurde zum Wohnungsamt geschickt, welches mir höchstens ein Quartier im Obdachlosen-Asyl anbieten konnte/wollte, was wiederum das Jobcenter nur zu einem Schulterzucken veranlasste – mich ein Mal mehr verzweifelt und in Tränen aufgelöst auf irgendeiner Treppe des Amtsgebäudes zurück lies.
Alle 6 Monate werde ich aufgefordert einen Wiederbewilligungsantrag zu stellen, werde somit kontrolliert und gegängelt, obwohl ich von mir aus schon so bescheuert ehrlich bin, jede Änderung mitzuteilen – was mich immer wieder auch Abzüge vom Regelsatz kostete. Es wäre ja nicht mal was gegen diesen Antrag zu sagen, wenn nicht JEDES MAL wieder Pannen auftreten würden. Bisher hat es nicht eine Wiederbewilligung gegeben die PÜNKTLICH weiter gelaufen wäre. Ich muss alle 6 Monate damit rechnen erst mal KEIN Geld vom Amt zu kriegen und auch, dass KEINE MIETE überwiesen wurde. Alle 6 Monate krieche ich erneut zu Kreuze und IMMER bin allein ich die Schuldige, warum es nicht pünktlich läuft. Das die Papiere in der eigenen Behörde verschlampt werden, kommt natürlich NIE vor! Man hat sie halt schlichtweg nicht abgegeben. Egal wie viel Einschreiben-Rückscheine oder Eingangsstempel des Jobcenters man vorweisen kann.

Seit über einem Jahr kämpfe ich um die Übernahme einer Heizkostennachzahlung. Laut Sozialgericht Hildesheim (!!! also sogar unserem eigenen !!!) ist das Jobcenter dazu verpflichtet eine solche zu übernehmen, wenn man im Jahr des Erhaltes einer solchen Nachzahlungsaufforderung HartzIV bezieht. Theorie und Praxis sehen mal wieder grundverschieden aus. Es finden sich ständig neue Gründe, warum der Antrag nicht bearbeitet werden kann. Natürlich bin allein ICH daran Schuld, dass der bis heute nicht entschieden werden konnte. Ist so zumindest in jedem Anschreiben klar und deutlich zu lesen. Es fehlt eigentlich derzeit nur noch der übliche Wisch, dass ich meiner Pflicht der Mitarbeit nicht nachkomme. Was ich ja offensichtlich NIEMALS tue. Jedenfalls nicht zur Zufriedenheit des Jobcenters. Ungezählt die Schreiben, in denen die Formulierungen ganz Unzweifelhaft MEIN Unvermögen und/oder MEINE Schuld feststellen.

Noch besser wird es allerdings, wenn man einen Mini-Job gefunden hat. Im ersten Moment freut man sich natürlich wie blöd. Immerhin ist es „nur“ ein Mini-Job und ein paar Taler mehr in der Kasse kann man als Harzi mehr als gut gebrauchen. Die Freude währt allerdings nicht sehr lange und man kämpft wirklich sehr arg gegen die Versuchung an, den Job wieder zu schmeißen. Wobei man zumindest in dem Punkt ja tatkräftige Unterstützung vom Amt bekommt, dass man sich das mit dem Hinschmeißen wirklich 50x überlegt! Es wird nämlich ganz klar gedroht: Verlieren Sie diesen Mini-Job, sehen wir uns gezwungen ihren Regelsatz wegen Arbeitsunwilligkeit um 30% zu kürzen! So viel zum Thema der freien Arbeitsplatzwahl, die mir ja eigentlich garantiert wird. Das einzige was garantiert ist, ist die Kürzung, wenn ich was ablehne! Selbst bei so einem Mini-Job.
Frau war also brav, hat den Job angenommen und bisher auch brav behalten. Dafür wird sie jeden Monat mit Abzügen vom Regelsatz bestraft. 100 Euro darf ich dazu verdienen, ohne, dass was passiert. Von jedem Cent darüber werden mir 80% abgezogen, die das Jobcenter behält. Interessanterweise kann ich den Betrag jeden Monat aufs Neue nachrechnen, er stimmt NIE mit dem überein, was die berechnet haben. Mir bleiben jedenfalls von meinem rund 140-160 Euro i.d.R. 105-110 Euro übrig. Besser als nichts. Sicherlich. Das Problem fängt aber schon mal damit an, dass mir monatelang ein Verdienst von rund 180 Euro angerechnet, entsprechend am Monatsanfang mein Regelsatz gekürzt und erst gegen Monatsende wieder korrigierend nach gezahlt wurde. Wie gesagt, stimmte die Rechnung aber nie mit dem überein, was ich heraus bekam, wenn ich es nachrechnete… und das die Nachzahlung auch wirklich kommt, darauf gab und gibt es auch NIE eine Garantie. Bis zu drei Wochen Verzögerung muss man schon mal in Kauf nehmen. Man ist schließlich nicht die einzige Kundin. Na ja… ich bin auch nicht die einzige Angestellte in meinem Mini-Job… Aber kay… man hat im Laufe der Monate durchaus gelernt, dass Arbeitsweisen und Erwartungen aus der Privatwirtschaft auch heute absolut GAR NICHTS bei Ämtern, Recht und Gesetz zu suchen haben.

Den bislang härtesten Knaller erlebte ich allerdings zu Beginn diesen Jahres.
Ich bin halt so selten dämlich, dass ich letztes Jahr keinen Urlaub in meinem Mini-Job gemacht habe, weil ich zwischendurch wegen eines Karpaltunnelsyndroms 5 Wochen aus fiel und dann Ende des Jahres noch mal etwas über drei Wochen wegen eines Herzinfarktes. Eigentlich wollte ich Ende November oder so… tja… und dann lag ich im Krankenhaus. Rums. So schnell kann es gehen.
Das Ende vom Lied war dann jedenfalls, dass ich also gerade mal einen Tag Urlaub genommen hatte. Der Rest stand beim Jahreswechsel noch auf meinem Konto.
Mein Arbeitgeber zahlt übrigen Urlaub generell aus. Da ist nix mit bis März abbummeln oder so. Übriger Urlaub wird ausgezahlt. Punkt. Also bekam ich mit meinem Dezember-Lohn Mitte Januar ein richtig nettes Sümmchen von fast 300 Euro überwiesen. Sah toll aus. Allerdings hat man davon absolut NICHTS als Hartzi. Urlaubsgeld gilt als Verdienst und wird somit selbstverständlich eingezogen/angerechnet. Insofern freute ich mich also sowieso schon nicht über das „fette“ Plus auf meinem Konto. Allerdings war ich auch nicht darauf gefasst, was mir wegen dieses Urlaubsgeldes, welches ja ordnungsgemäß und ohne Umschweife gemeldet worden war, ins Haus flattern würde: Ein ANHÖRUNGSBOGEN!

Ich fasste es ehrlich nicht. Ich war und bin wie vor den Kopf geschlagen.
Da ich also WIDERRECHTLICH mehr Einkommen bekommen hätte, hätte ich nun also den Sachverhalt mittels des Anhörungsbogens zu erklären. Ansonsten handele das Jobcenter in eigenem Ermessen…

Ein Mal mehr wurde ich durch ein „vor-formuliertes Anschreiben bei dem der Sachbearbeiter nur noch den Betroffenen eintragen muss“ beschuldigt etwas Widerrechtliches getan zu haben. Ein Mal mehr fühlte ich mich als Verbrecherin gegen die Mildtätigkeit von HartzIV, von dem ich ja froh sein kann, dass ich es überhaupt beziehen darf, angeklagt. Eine Anklage ohne Gerichtsverhandlung und standesgerechter Verurteilung, die selten lange auf sich warten lässt. Ich bin schuldig des Verbrechens trotz aller gesundheitlichen Probleme keinen Urlaub genommen zu haben und nun diesen ausbezahlt bekommen zu haben. Ich bin SCHULDIG DES ARBEITENS unter HARTZ! AN DEN PRANGER MIT MIR!

Die neuste Erniedrigung lag schon wieder im Briefkasten:
Antrag auf medizinisches Gutachten inkl. dutzender Formblätter zur Entbindung von der Schweigepflicht meiner Ärzte den Ämtern gegenüber.
Das Ding nicht auszufüllen etc. kommt einer Verweigerung meiner Mitwirkungspflicht… blaaaaaah… Ich weiß: Ich bin schuldig an allem.

Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Ein Hartzi ist ein Hartzi und kein Mensch.

Vic
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Klein, bekloppt, chaotisch, unkonventionell und erwachsen werden ist nicht mehr drin. ;) Technik-affin, Spiele-Freak, Leseratte und noch so einiges mehr. Vor allem aber ohne meine Fellnase(n) total aufgeschmissen! Willkommen in meiner kleinen, verrückten (Märchen-)Welt. Noch Fragen? Dann fragt doch einfach! ;)