Ein Sternentraum

IC Writing

Die folgende Geschichte entstand im Januar 2008.
Sinn der Geschichte war es, Kevins (mein ältester u. bester Freund real-life R.I.P.) RP-Elf Riyan sterben zu lassen. Normalerweise hätte das eigentlich im RP (Rollenspiel) geschehen sollen, wozu es aber aus diversen Gründen nicht mehr kommen konnte (die sind hier sowieso total egal ^^). So machten wir uns also daran aus dem Status Quo des bestehenden RPs heraus eine “kleine” Endsequenz zu basteln. Am Ende hatten wir dann eben diese Geschichte, die leider von ein paar Trolls später ziemlich downgevotet wurde. Muss man wohl nicht verstehen. *schulterzuck*
Wir hatten jeden Falls unseren Spaß am Schreiben und fanden die Geschichte dem Char Riyan auch würdig. Punkt.

Viel Spaß beim Lesen.
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Leise, schon lange vertraut, durchbrach das Knistern des ewigen Feuers die allumfassende Stille der hohen Halle. Es brannte immer, ohne das sich je jemand darum gekümmert hätte. Er wusste nicht wem es gewidmet war oder wie es sich nährte. Er wusste ja nicht mal wo er sich eigentlich befand, noch wie oder wann er hierher gelangt war. Das Feuer… das Knistern, es war das einzige was er hier hören konnte. Keine tapsenden Schritte, kein Lachen, keine Stimmen, kein Vogelgezwitscher. Nicht mal das leise Rascheln einer Maus auf Futtersuche war hier zu vernehmen…
Seine Gedanken schweiften ein Mal mehr träge auf müden Flügeln ab, fanden sich wieder unter einem Baum an einem See, wo er mit dem all zu vertrauten leisen Schmerz in den Gliedern auf seinem einfachen Lager erwachte. Das verhaltene Plätschern des Wassers klang in seinen Gedanken und da das leise Rascheln seiner kleinen Freundin, die es sich zur Gewohnheit gemacht hatte Morgens ihren Anteil seines Frühstückskekses einzufordern… Fast meinte er die kleinen tippelnden Pfoten auf der Haut zu spüren als die Erinnerung auch schon wieder zu verblassen begann. Ob die kleine Maus von einst wohl noch lebte? Er war schon so lange nicht mehr in Giran gewesen und noch länger hatte er sein einstiges kleines Zuhause unter freien Himmel nicht mehr aufgesucht.
Himmel… Sterne… ob sie wohl auch in dieser Gegend leuchteten? Er kannte die Sterne Imoriaths nicht, hatte sie nie gesehen. Manchmal fand sich jemand, der sie ihm beschrieb während sie in der leichten Brise der Nacht auf der Stadtmauer saßen. Manchmal schlich sich das Bild abertausender sanft und silbern schimmernder Lichtpunkte auf blausamtenen Nachthimmel in seine Erinnerung. Er hatte einen letzten Traum, eine allerletzte Sehnsucht, so unerfüllbar, so gnadenlos unstillbar, dass es in seinem Inneren wie Feuer zu brennen schien. Er würde keinen Stern mehr sehen. Einzig die Erinnerung war geblieben, die Kraft der Vorstellung… doch auch sie begann zu verblassen im Angesicht der alles durchdringenden Stille dieses Ortes.
Er hatte einen Traum und die Zeit… sie verrann unerbittlich…

Seit unendlich langen Minuten lag er auf den kalten rauen Steinplatten. Sein ausgemergelter Körper tobte, rebellierte zitternd gegen die Anstrengungen, die er ihm abverlangt hatte. Nur langsam ebbte der Schmerz ab, der ihn so unendlich lähmte, jeden Schritt zu einem Kampf für sich machte. Er hatte keine Ahnung wie lange es gedauert hatte bis hierher zu gelangen. Jegliches Zeitgefühl war ihm verloren gegangen. Es mochten Tage sein, vielleicht auch nur Stunden. Er wusste es nicht mehr. Einzig der Gedanke ein letztes Mal die Kühle der Nachtluft auf der Haut zu spüren, den Wind in den Blätterkronen naher Bäume rauschen hören, ein letztes Mal auf der weichen Erde liegend, das Gesicht gen Himmel gerichtet und wenigstens in Erinnerung silberne Sterne auf schwarzblauem Samt leuchten sehen… ein letztes Mal… das war alles, was ihn noch vorangetrieben hatte, hartnäckig Schritt für Schritt…

Mühsam hob er den Kopf, lauschte auf das vertraute Knistern hinter ihm, das nun mehr wie ein verhallendes Echo seiner selbst wirkte. Vor ihm schien sich die Stille zu verdichten, gerade so, als ob etwas das weit laufende Echo der hohen, weiten Halle eindämmen wollte. Immer wieder mal streifte ihn ein kühler Luftzug. Frische, saubere, unverbrauchte Luft. Frei von der leicht staubigen Muffigkeit, die uralten Gemäuern so oft anlastete. Es war wohl kein Tor oder wenigstens eine Tür, wie er vermutet und gehofft hatte. Es schien sich viel mehr ein Gang vor ihm befinden.
Er war müde. Aber er wusste sicher, würde er jetzt nachgeben, er würde nirgends mehr hingelangen. So sammelte er sich, versuchte die verbliebenen Kräfte zu mobilisieren. Es war hoffnungslos. Er brachte einfach nicht mehr die Kraft auf aufzustehen, die nächsten Schritte zu gehen. Leise seufzend sank er zurück auf die kalten Steinplatten, musste sich erneut einige Minuten der Pause gönnen. Kostbare Minuten, vielleicht genau jene, die ihm am Ende fehlen würden. Trotzig hob er erneut den Kopf. Also gut… wenn er die Kraft zum Gehen nicht mehr aufbrachte, dann kroch er eben. Das rechte Bein, Ursache des tobenden Schmerzes in ihm, vermochte ihn ohnehin nicht mehr zu tragen.
Langsam, viel zu langsam, aber hartnäckig setzte er seinen Weg fort, hinein in den unbekannten Gang. Hinter ihm erstarb allmählich das Knistern des Feuers. Die Stille wurde nahezu vollkommen, einzig unterbrochen vom eigenen keuchenden Atem und dem schleifenden Geräusch von Stoff auf rauem Untergrund. Zentimeter um Zentimeter kroch er weiter durch den sich windenden Gang, bei jedem Richtungswechsel an die grob behauenen Wände stoßend, tastend sich den neuen Weg suchend.
Immer öfter Pausen, die von Mal zu Mal ein wenig länger wurden bis er seinen Weg fortsetzen konnte. Langsam machte sich Resignation in ihm breit, nagten Zweifel ob der Sinnlosigkeit seines Tuns. Wozu überhaupt noch diese Qual? Wozu diese Anstrengung ohne jegliche Sicherheit das Ziel zu erreichen? Er könnte bequem und einigermaßen schmerzfrei auf seinem warmen Lager dort beim Feuer in der Halle liegen und einfach die Zeit abwarten. Wen interessierte es schon…
Weil er niemals kampflos aufgegeben hatte. Es gab immer etwas, für das zu Kämpfen lohnte und sei es eben nur noch der profane Wunsch unter dem geliebten freien Himmel das Ende zu finden. Dennoch… es wurde zunehmend schwerer sich erneut aufzuraffen… aber aufgeben kam nicht in Frage und wenn er bis zum letzten Atemzug kroch, er würde weiter kriechen! Trotzig setzte er seinen Weg fort…

Die Gedanken, sie waren längst reduziert auf diesen einen einzigen: WEITER.
Ausgelöscht schienen alle Erinnerungen eines wechselvollen Lebens voller Lachen, Lieder, Liebe aber auch Hass, Schmerz und Tränen, die ihm mit der Zeit versagt geblieben waren. WEITER, war der nun alles beherrschende, alles andere verbannende Gedanke. So sehr konzentrierte er alles Denken, Bestreben und Kraft auf diesen einen Gedanken, dass er weder die Geräusche noch die zunehmende Kälte wahrnahm, die sich allmählich vor ihm auftat. Bis… bis er plötzlich etwas anderes unter seinen wunden tastenden Händen fühlte als den steinernen Boden. Weich, krümelig, mit einer gewissen Feuchte ohne wirklich Feucht zu sein. Verwundert hielt er inne, tastete ungläubig noch ein Mal nach, lies die körnige frische Erde durch die Finger rieseln. Noch immer verwundert zog er sich noch ein Stückchen vor. Konnte es sein? Hatte er es doch noch geschafft?
Langsam der Felswand zu seiner rechten folgend zog er sich mühsam vollends ins Freie, spürte wie das Gelände sich langsam anzuheben begann. Ein paar erste Gräser begrüßten die zitternden halbtauben Finger. Weit mehr, als er zu hoffen gewagt hatte. Und keine Minute zu früh.
Zu Tode erschöpft blieb er liegen wo er war, bettete den Kopf auf die schmerzenden Arme und lauschte…

Trockenes Laub im leichten Bodenwind raschelte, alte schwere Äste knackten in weiterer Entfernung. Der Wind, hier unten kaum zu spüren, rauschte auf- und abschwellend durch das Blätterdach einiger Bäume, die wohl oben auf dem sanft ansteigenden Hang standen. Ob es wohl ein Wald war? Es hörte sich zumindest so an.
Ansonsten war nicht viel zu hören. Nichts was auf die Anwesendheit irgendeines Wesens oder einer Person hingedeutet hätte. Es wunderte ihn nicht. Es hatte sich schon lange keiner mehr hierher verirrt…
Von irgendwoher Drang der Ruf eines Waldkäuzchens an sein Ohr: “Ku-witt, Ku-witt.”
Die innere Anspannung wich, machte Platz für die Erleichterung aus dem Wissen um die Bedeutung des Rufes heraus. Das Schicksal meinte es auf diesem letzten Pfad gut mit ihm. Ein leises Lächeln lag auf den trockenen, spröden Lippen, hellte die eingefallenen scharfen Züge des Elfen ein wenig auf als er langsam den Kopf drehte, dem Ruf des Käuzchens nachlauschend.

Es war Nacht.
Der Ruf des Nachtjägers hatte es ihm mitgeteilt, lud ihn ein mitzukommen.
Er wusste nicht wie alt diese Nacht bereits war, ob erst angebrochen oder sich schon anschickend dem neuen Tage zu weichen. Er wusste nichts davon ob Wolken über den dunklen Himmel jagten oder ob der Mond leuchtend inmitten tausender Sterne über allem thronte. Es war egal.
Es war Nacht.
Er war da, wo all sein Streben der letzten Stunden ihn hinbringen sollte: Unter dem hohen, weiten, unendlichen Gewölbe eines samtenen schwarzblauen Himmels, gesprenkelt mit den silbern schimmernden Diamanten leuchtender Sterne.

Ein letztes Mal sammelte er was von seiner Kraft und Energie übrig war. Den protestierenden Schmerz müder Knochen und nicht ausgeheilter Verletzungen ignorierend drehte er sich langsam auf den Rücken, richtete den leeren Blick des blinden Auges himmelwärts, in Gedanken jeden einzelnen Stern seiner Erinnerung betrachtend, bewundernd ob seiner schlichten Schönheit.

Nach und nach tauchten andere Bilder vor diesem Himmel auf, verschmolzen mit ihm, machten neuen Bildern platz. Orte längst vergangener Tage gefolgt von Gesichtern, lächelnd, manches sogar lachend. Er kannte sie. Aus einem anderen Leben. Viele Gesichter mit verschwommenen Konturen. Gesichter, die er nie gesehen hatte. Aber es erklangen ihre Stimmen klar und rein. Hier und da zauberten längst vergessen geglaubte Worte ein Schmunzeln auf das fahle Gesicht.
Mit jedem Bild, das wieder in seinen Erinnerungen zurücksank, wurde ein weiteres Band seiner Seele durchtrennt. Nach und nach verloren sich die Bindungen zu jenen die er geliebt hatte, gaben seine Seele frei. Er nahm Abschied. Still, ohne ein einziges gesprochenes Wort. Sandte in Gedanken einen letzten Gruß, ein letztes Lächeln an all jene, die Teil seines Lebens gewesen waren. Mancher mochte es spüren, wissen. Viele würden es niemals erfahren.

“Ku-witt, Ku-witt”
Mae… er würde der Einladung folgen. Dies war die letzte Nacht unter den geliebten Sternen dieser Welt, unter der unendlichen Weite der Freiheit, die er so sehr liebte.

Der Schmerz erlosch. Das Herz hörte auf zu schlagen. Er fühlte sich federleicht und unendlich frei. Es gab keine Grenzen mehr, kein Leid und keine Tränen. Die Leichtigkeit seines neuen Seins verlieh ihm Flügel auf denen er zu den Sternen hinauf reisen konnte.

Ein glasklarer Himmel spannte sich über das Land. Blinkende Sterne auf blauem Samt spiegelten sich im starren, gebrochenen Blick des leblosen Körpers am Fuße des kleinen Hanges am Wegesrand. Dräuend gähnte der Eingang zu einem lang vergessenen, in puren Fels geschlagenen Tempel in der Dunkelheit. Im Inneren brannte ein ewiges Feuer zu dessen Füßen sich ein einfaches Lager aus Decken und Fellen befand. Ein Stab eines Magiers lag darauf wie eine letzte Botschaft oder einfach nur vergessen. In schlichter glatter Schönheit meisterhaft gearbeitet, im Kopf ein mit sanftem blauem Licht, wenn auch nur mehr schwach, pulsierender Stein.

“Ku-witt”
Dem Ruf folgend zog eine einzelne Sternschnuppe ihre Bahn über den Himmel, nahm so manchen Wunsch der wenigen, die sie sahen mit sich auf die Reise… und verschwand.
Der Stein im Stab glühte ein letztes Mal strahlend auf und verlosch.
Zurück blieb, vergessen am Wegesrand, eine leblose, leere erkaltende Hülle. Ein leichter Zug trotzigen Triumphes unter dem sanften Lächeln.

Vic
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Klein, bekloppt, chaotisch, unkonventionell und erwachsen werden ist nicht mehr drin. ;) Technik-affin, Spiele-Freak, Leseratte und noch so einiges mehr. Vor allem aber ohne meine Fellnase(n) total aufgeschmissen! Willkommen in meiner kleinen, verrückten (Märchen-)Welt. Noch Fragen? Dann fragt doch einfach! ;)