Eine beliebte Milchmädchen-Rechnung in Amtsstuben

Black Rivers

Ich habe ja ehrlich keine Ahnung, was so als Wissenshintergrund zum Job in einem Jobcenter/der Arge verlangt wird aber eines weiß ich mittlerweile mal ganz sicher:
Von der Zusammensetzung des Regelsatzes haben die Damen und Herren absolut keinen Schimmer!

Ein Mal mehr ging es darum, dass ich doch bitte eine medizinische Reha machen soll. Damit liegt man mir mittlerweile von mehreren Stellen aus in den Ohren. Sicher, so eine Reha wäre schon toll gewesen. Da hätte es sicher Infos und Hilfen gegeben, die man so gar nicht bekommt. Das Problem an einer Reha ist aber der Kostenfaktor. Eine Reha dauert i.d.R. drei Wochen, ergo 21 Tage. Somit liegt sie also auch unter der Zuzahlungsgrenze von 28 Tagen. Ein Schelm, der jetzt böses denkt…
Das heißt also im Klartext: Gehe ich in eine Reha, muss ich spätestens am Ende derselben 210,- Euro blechen. Denn egal ob Reha-Klinik oder normales Krankenhaus, der Tagessatz, den man als Patient zuzahlen muss, beläuft sich nun mal auf 10 Euro pro Tag. Das gilt auch für Hartz-IV-ler/Aufstocker.

Im Gegensatz zu einem normalen Krankenhaus, welches in der Regel ja in nächster Nähe zum eigenen Wohnort liegt, liegen Reha-Kliniken schon mal den einen oder anderen Kilometer weiter weg. Bedeutet: Es fallen Reisekosten an. Weiter werden bei den meisten dieser Reha-Kliniken die Zuzahlungen spätestens am Ende der Maßnahme direkt fällig. Heißt: Man sieht es sehr gerne, wenn diese gleich an der Kasse beim aus-Checken bezahlt werden.
Gehe ich mal von, sehr sparsam angenommenen, reinen Fahrtkosten von ca. 100 Euro für die Hin- und Rückfahrt aus, komme ich also schon mal auf einen Betrag von stolzen 310 Euro, die ich irgendwie übrig haben sollte, was einen Tagesbedarf von 14,76 € bei 21 Tagen ergibt.

Soweit, so gut.
Ich gehe hier erst gar nicht auf Kleidungsfragen oder ähnlichem ein. Wer auf Reisen geht, der weiß, dass es immer Dinge gibt, die noch angeschafft und/oder organisiert werden müssen. Es bleibt also garantiert nicht bei den beiden oben genannten Faktoren.
…und nur mal zur Erinnerung: Der Regelsatz liegt derzeit bei 382,- Euro (den ich persönlich noch nie voll bekommen habe!).

Mich drängen also mehrere Stellen dazu eine solche Reha zu machen. Erst im Krankenhaus, dann im Jobcenter und nicht zuletzt gestern die Amtsärztin. Ihre Argumente sind durchaus gut gewählt und auch überzeugend, zumindest was den medizinischen und praktischen Aspekt betrifft, aber von der Finanzierung eines solchen Unterfangens haben die Damen und Herren mal überhaupt keine Ahnung. Das Totschlag-Argument lautete bisher nämlich IMMER: „Na, die 10 Euro pro Tag sparen Sie doch dann sowieso ein, weil sie ja Zuhause nichts zu essen kaufen müssen.“

Sehr geehrte Damen und Herren der diversen Amtsstuben!
Gestatten Sie mir doch bitte mal einen kurzen Blick auf das Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz nach §28 des Zwölfen Buches Sozialgesetzbuch (RBEG) zu Ihrer werten Information.
Dort wurde vom Gesetzgeber als regelbedarfsrelevant der Regelsatz wie folgt zusammengesetzt:

1 Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke 128,46
3 Bekleidung und Schuhe 30,40
4 Wohnen, Energie und Instandhaltung 30,24
5 Innenausstattung, Haushaltsgeräte u. -Gegenstände 27,41
6 Gesundheitspflege 15,55
7 Verkehr 22,78
8 Nachrichtenübermittlungen 31,96
9 Freizeit, Unterhaltung, Kultur 39,96
10 Bildung 1,39
11 Beherbergungs- und Gaststättenleistungen 7,16
12 Andere Waren und Dienstleistungen 26,50
Summe 361,81

Diese Beträge wurden auf den 1. Januar 2011 fortgeschrieben und gerundet woraus sich dann gemäß §8 RBEG und in Verbindung mit der Anlage zu §8 SGB XII sechs sogenannte Regelbedarfsstufen ergaben. In meinem Fall – eine erwachsene, leistungsberechtigte Person, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt – hieß das: 364 Euro.
Verbuchen wir die „großzügigen“ 2,19 Euro mehr mal als „Sonstiges“ und lassen auch völlig außer acht, dass laut Berechnungen der Hans-Böckler-Stiftung auf Grund der EVS (Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 (!!!)) damals schon ein Regelbedarf ohne Miet- und Heizkosten, von 535,33 Euro pro Monat errechnet wurde.

Schön. Dröseln wir also mal die Tabelle auf und rechnen diese auf den heutigen Regelsatz von 382 Euro um:

% 2011 2013
1 Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke 35,29 128,46 134,81
3 Bekleidung und Schuhe 8,35 30,40 31,90
4 Wohnen, Energie und Instandhaltung 8,31 30,24 31,74
5 Innenausstattung, Haushaltsgeräte u. -Gegenstände 7,53 27,41 28,76
6 Gesundheitspflege 4,27 15,55 16,31
7 Verkehr 6,26 22,78 23,91
8 Nachrichtenübermittlungen 8,78 31,96 33,54
9 Freizeit, Unterhaltung, Kultur 10,98 39,96 41,94
10 Bildung 0,38 1,39 1,45
11 Beherbergungs- und Gaststättenleistungen 1,97 7,16 7,53
12 Andere Waren und Dienstleistungen 7,28 26,50 27,81
13 Sonstiges 0,6 2,19 2,30
Summe 100% 364,- 382,-

Nachdem wir nun also wissen, wie viel pro MONAT für welchen Bereich vorgesehen ist, kann ich also schon mal mit einem gewaltigen Irrtum aufräumen:
Nahrungsmittel = Futterkosten = 134,81 € : 30 Tg = 4,49 € PRO TAG!
Nicht pro Mahlzeit oder was auch sonst in den Amtsstuben gedacht wird, was man so für sein Futter zur Verfügung hat! Soviel schon mal zu der völlig abwegigen Theorie, ich würde doch pro Tag 10 Euro Futterkosten sparen in einer Reha… Die habe ich ja nicht mal zur Verfügung. Ganz zu schweigen von den Lebensmitteln, die man sich von einem solchen Betrag tatsächlich leisten könnte. Obst und Gemüse stehen da garantiert NICHT auf dem Speiseplan!

Aber okay… schauen wir doch mal weiter.
Kosten für „Verkehr“ und „Beherbergugs- und Gaststättenleistungen“:
23,91 + 7,53 = 31,44 € : 30 Tg =1,05 € pro Tag

Das reicht immer noch nicht. Wir sind gerade mal bei 5,54 € pro Tag angekommen. Da fehlt noch bissel was bis 14,76…

Wohnen, Energie und Instandhaltung sind FIXKOSTEN! Mein Strom will bezahlt werden, völlig egal ob ich Zuhause bin oder nicht. Mal ganz davon abgesehen, dass allein meine Abschlagszahlung pro Monat diesen Punkt bei weitem überschreitet. Irgendeiner hat die Energie-Kosten, die seit Jahren rapide steigen, anscheinend per Dartpfeil auf eine Zahlentabelle ermittelt oder sitzt in einem Ökohaus, welches seinen Strom selbst erzeugt und Überschüsse ins Stromnetz einspeist. Die Energiekosten sind jedenfalls völlig utopisch um nicht zu sagen lächerlich gering veranschlagt. Die meisten von uns müssen über den lokalen Anbieter, sprich Stadtwerke, gehen. Die haben aber nicht gerade das günstigste Angebot. Ganz im Gegenteil.
Ich muss also schon mal die Punkte Energie und Innenausstattung zusammenfassen um allein meine Strom-Abschlagszahlung abzudecken.
Meine Gelder für den Punkt „Gesundheitspflege“ werden ebenfalls überschritten mit den Medikamenten, die ich nun nehmen muss.
Dann kommen da noch Telefon/Internet, TV und Versicherung dazu. Nicht zu vergessen meine beiden Fellnasen, die ich laut Regelsatz gar nicht haben dürfte. Ergo muss ich die wohl aus dem Punkt Freizeit ernähren und pflegen. Ach ja! Abzgl. 20 €, die mir vom Regelsatz jeden Monat abgezogen und der Mietzahlung zugeschlagen werden. Ich wohne nämlich zu teuer! Das mein Nachbar ganz und gar nicht zu teuer wohnt, obwohl der exakt die gleiche Miete zahlen muss, muss keiner verstehen. Vielleicht brauchen Männer einfach mehr Geld zum Wohnen. *hust*

Wie auch immer: Ich könnte jetzt noch Seiten lang mit den Zahlen jonglieren: ES REICHT NICHT! Fällt die Zuzahlung weg, weil man endlich den Status der Befreiungsmöglichkeit erreicht hat – und der kommt bei einem Hartzi auch erst bei etwas mehr als 80 € – dann bleiben aber immer noch Reisekosten, etwaige Anschaffungen, Mehraufwand für die Kommunikation nach Hause (weil mein Festnetz kann ich ja schlecht mitnehmen und Handyflat ist zu teuer). Ich kann es drehen und wenden und rechnen wie ich will… Ich kriege es nicht hin. Zumal ich schon seit Monaten versuche dem Rätsel auf die Spur zu kommen, warum ich, wenn ich alles zusammen rechne, was ich an Gelder rein bekomme – also Rente, Job, Hartz IV – NIE auf 482 Euro komme (Regelsatz + 100 Euro frei aus Verdienst). Ich liege immer bei rund 450 Euro. Dabei sollte ich eigentlich über 482 Euro kommen. Denn von allem was ich über 100 Euro verdiene, darf ich 20% behalten. Aber ich bekomme derzeit anscheinend nicht mal meine vollen 100 Euro angerechnet. Aus den Berechnungstabellen wird ein normaler Mensch auch nicht wirklich schlau…

Fazit:
Es ist und bleibt eine Milchmädchen-Rechnung mir vorzuhalten während einer Reha würde ich ja kein Geld für die Ernährung brauchen. Das ist zwar richtig. Aber das, was ich tatsächlich für meine Ernährung zur Verfügung habe deckt sich in keinster Weise mit dem Tagessatz, den man einer Reha-Klinik zuzahlen muss. Ganz im Gegenteil deckt sich der Betrag oft genug nicht mal mit der obigen Tabelle. Schreibtischtäter halt. Keinen Plan von der Realität…

…und mir wirft man öfter mal vor, ich würde in einer Märchenwelt leben mit meinem Games und Büchern. Da kann ich echt nur hohl kichern… HIHI…

Vic
Über Vic 260 Artikel
Klein, bekloppt, chaotisch, unkonventionell und erwachsen werden ist nicht mehr drin. ;) Technik-affin, Spiele-Freak, Leseratte und noch so einiges mehr. Vor allem aber ohne meine Fellnase(n) total aufgeschmissen! Willkommen in meiner kleinen, verrückten (Märchen-)Welt. Noch Fragen? Dann fragt doch einfach! ;)