Good Bye, little Birdy

Du warst so gar nicht geplant, in unserem Leben.
Es war mal die Rede von einer Katze. Aber dann verstarb in deiner ersten Familie der Herr des Hauses und es blieb ihnen letztlich nichts anderes übrig als euch beiden ein neues Zuhause zu suchen. Weil wir uns weigerten dich und deinen Gefährten Lucky zu trennen – wenn wir euch schon aus eurer Not helfen sollten und auch gerne wollten, dann euch beiden und nicht nur einen von euch – bekamen wir die Zusage. So kam es, dass ich an einem ziemlich verregneten September-Morgen knapp 800 KM bis nach Freiburg fuhr um dich kleine Maus und Lucky zu uns zu holen.
Das erste was ihr beiden uns bei gebracht habt: Katzen können auch unglaubliche Abenteurer sein, die vielleicht mal meckern aber ansonsten alles Neue – und sei es auch eine bescheuerte Autofahrt von 800 KM – mit Neugier, Abenteuerlust aber auch Ruhe und Gelassenheit nehmen.
Das ist nun so viele Jahre her, 12 um genau zu sein, und doch kommt es mir so vor, als wären die Jahre im Flug vergangen. Viel zu kurz war die Zeit, die uns mit dir geschenkt wurde. Aber auch unglaublich schön und bereichernd.

Geboren wurdest du als „Lochnagar’s Glamourgirl“. Oh ja… du konntest schon was von einer Diva haben, wenn dir was nicht gefiel… Doch eigentlich passte der Rufname, den dir deine ersten Menschen gaben, so viel besser zu dir: Birdy – Vögelchen.
Du konntest mutig sein und starrköpfig, keck und verspielt, frech und fordernd aber vor allem warst du immer sehr vorsichtig, manchmal sogar richtig scheu. Lucky war der, der immer die Lage für euch beide sondierte und dann kamst du. Und wenn du dich dann entschlossen hattest etwas anzunehmen, dann aber auch ganz oder gar nicht. Es gibt einige Herzen, in denen du dich ganz leise, still und heimlich, geradezu unauffällig geschlichen hast. Unseres hattet ihr beide vom ersten Tag an im Sturm erobert.

Nein, du warst so gar nicht geplant in unserem Leben. Aber du warst das unverhoffte Geschenk an welches man sein Herz verlor und keine Sekunde der Zeit je bereut noch missen möchte.
Ich nannte dich oft „kleine schwarze Bestie“. Du warst nie wirklich eine. Aber wehe dem, der dich in den höchsten Tönen schnurren ließ. Der musste dann auch da durch, dass du ihm deine spitzen Krallen durch alle Stofflagen hindurch, voller Wonne in die Haut senktest. Wir nannten es Scherzhaft: Akkupunktur. Wir fürchteten es immer aber wir waren dir nie böse deswegen. Du hattest nun mal einen etwas raueren Charakter, konntest sachtem Geknuddel nie wirklich etwas abgewinnen. Da mussten ganze Hände her und einen so richtig durchschrubben und -wühlen. Und wenn das nicht fest genug war, na, dann hast du eben nachgeholfen. Ich frage mich heute noch ob du nicht manchmal doch Kopfweh bekamst, so fest wie du meist dein kleines Dickköpfchen an Beine, Arme, Regale, Türen, Wände „gebuckt“ hast. Du warst einfach hart im Nehmen und doch gleichzeitig so unglaublich sensibel und anhänglich… Dir zu widerstehen gelang niemandem.

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Das schönste Spielzeug waren Schnürsenkel, Cordel, Wollfäden… Noch gestern, obwohl du doch so krank warst und zusehends schwächer wurdest, hast du mir noch meine Schnürsenkel aus dem Turnschuh gehäkelt.
Einem Faden hinter zu jagen war einfach das Größte für dich. Wir lernten schnell, dass du im Jagdfieber keine Gnade kanntest. Eine kleine Narbe an meinem Fuß wird mich immer daran erinnern mit welchem Enthusiasmus und Lebensfreude du Bändchen, Cordeln, Fäden, Leinen … hinterher jagen konntest. Irgendwann war mein Fuß dabei mal im Weg. Pech für mich. Da musste ich nun mal durch.
Am Abend vor unserer Hochzeit hast du nicht mal vor den guten Lederschuhen unseres Trauzeugen halt gemacht. Diese Schnürsenkel… denen konntest du einfach nicht widerstehen. Deine ganz große Schwäche…

Die zweite Schwäche kostete manchmal Nerven beim Fernseh gucken:
Rascheltunnel, Papier- und Plastiktüten. Es musste RASCHELN! So laut und so oft wie irgend möglich. Natürlich wurde immer dann geraschelt auf Teufel komm raus, wenn wir gerade was hören wollten. Pffftt… Wozu haben wir Menschen denn auch einen Lautstärke-Regler? Dann muss der halt mal benutzt werden!

Schmusen! Das war auch immer wichtig. Du warst nie eine Schoßkatze aber zum schmusen musste man dich so gut wie nie überreden. Das ging immer. So laut schnurren wie du, konnte auch keiner. Oh ja… ich erinnere mich noch sehr gut. In den ersten Tagen… was hast du mich zum Narren gehalten, als du da schnurrend auf der Kommode lagst und ich halbe Ewigkeiten nach dem Fehler in meinen Boxen suchte, bis ich endlich begriff, dass du laut genug und mit soviel Wonne schnurrtest, dass die ganze Kommode wie ein Resonanzkörper fungierte. Oder einfach mal das Waschbecken zum Klingen bringen… Drin einkuscheln und schnurren, so laut, dass es das ganze Badezimmer ausfüllen konnte (auch wenn das doch sehr klein ist…).

Deine größte Eigenschaft aber war eine, die du mit Lucky teiltest: Trösten können.
In all den Tagen, in denen es mir so gar nicht gut ging hast du nie Unsinn angestellt – und das konntest du auch nur zu gut – sondern kamst immer zum Ankuscheln und so laut schnurren, dass mir öfter mal der ganze Brustkorb vibrierte. Du in meinem Rücken, so dich angebuckt, dass da nicht mal ein Luftmolekül noch hin gepasst hätte und Lucky an meiner Brust. Ich traute mich oft gar nicht mich noch irgendwie zu bewegen… endete das doch immer wieder mal mit einem entrüsteten Maunzer.

Überhaupt warst du eine sehr redselige Katze. Es hat gedauert bis ich mal lernte deine Töne auseinander zu halten und zu wissen was du gerade wolltest. Ich muss dir ganz schön dumm vorgekommen sein. Aber irgendwann begreift wohl jeder Dosenöffner mal. Zumindest schien das immer deine Devise zu sein. Auch sonst bekam man von dir immer eine Antwort – wenn du nicht gerade im Jagdfieber oder tiefem Schlaf warst.
Kartons auspacken ohne dich, wird auch nicht mehr das selbe sein. Vor allem wird es wohl merkwürdig sein, in leere Kartons zu schauen… und nicht einen Wust schwarzen Felles darin zu erspähen…

Liebste kleine Birdy… auch wenn es hin und wieder auch mal Zeiten gab, in denen ich dich hätte „erwürgen“ können wegen so manchem Unfug… auch wenn du eigentlich gar nicht geplant warst… Ich wollte, ich müsste dich nicht schon missen. Doch leider musstest du heute schon gehen. Ein Leben lang kerngesund und voll überschäumender Lebensfreude wurdest du nun unversehens krank. Heute konnte ich nicht anders. Du hattest es einfach nicht verdient lange zu leiden, nur weil ich jedem noch so kleine Fitzelchen Hoffnung hinterher jage. Dein Schnurren, welches mich und Lucky unablässig die ganze letzte Nacht begleitete während wir neben dir wachten, es wurde heute morgen immer leiser und müder. So habe ich dich gehen lassen, auch wenn es mir schier das Herz zerreißen wollte. Dich leiden zu sehen war so viel schlimmer.

Du bist von uns gegangen, wie du gelebt hast: Als Kämpferin, die niemals aufgibt, noch je wirklich klagt. Du schliefst mit dem dir so typischen, wenn auch nun leisem, tiefen Schnurren in meinem Arm ein.
Good Bye, little Birdy. Ich danke dir für das Geschenk von 12 Jahren und hoffe wir haben dir ein schönes Leben schenken können.

Gute Reise, meine Kleine.

Vic
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Klein, bekloppt, chaotisch, unkonventionell und erwachsen werden ist nicht mehr drin. ;) Technik-affin, Spiele-Freak, Leseratte und noch so einiges mehr. Vor allem aber ohne meine Fellnase(n) total aufgeschmissen! Willkommen in meiner kleinen, verrückten (Märchen-)Welt. Noch Fragen? Dann fragt doch einfach! ;)