Im Wandel der Zeit

Black Rivers

Ich bin ein Kind der 80er.
Aber hat sich schon mal jemand gefragt, was das eigentlich heißt?

Wir kannten nicht nur Begriffe wie „Kalter Krieg“, Apartheid und Glasnost, wir steckten mitten drin. Wir erlebten Chernobyl, atomares Wettrüsten und die Bilder der Straßenschlachten in Nordirland genauso wie jene des Kampfes um ein paar kahle Felsen im Meer genannt die Falkland Inseln. Nicht zu vergessen der scheinbar ewig andauernde Bürgerkrieg im Libanon, in deren Verlauf immer wieder unter den fadenscheinigsten Gründen Bomben zwischen dem Libanon und Israel flogen. Den Begriff Hisbolla und PLO kannten wir da schon im Schlaf.
Nicht zuletzt wissen wir sehr genau was ein geteiltes Deutschland heißt. Zu meiner Schulzeit musste ich deutlich weniger Bundesländer auswendig lernen und meine Klassenfahrt nach WEST-Berlin ging erst mal halbe Ewigkeiten über eine Autobahn die links und rechts mit Beton und Maschendraht eingezäunt war. Mal eben rüber nach Ost-Berlin? Nicht ohne Checkpoint Friedrichstraße und genauster Passkontrolle (die ich auch noch klassisch Versaubeutelte… aber das ist eine andere Geschichte ;) ).
Die Grünen… oh mein Gott… Stricknadeln und Turnschuhe im Bundestag! Da war noch nichts mit angepasst. Die Grünen waren unsere Rebellen und die 80er das neue Rebellentum. Heute… heute sind wir wohl alle irgendwie angepasst, die Stricknadeln passé und das Schuhwerk tadellos zum Anzug passend oder doch zumindest zum Anlass und der Örtlichkeit. Man hat sich halt zusammen gerauft, so irgendwie, so allmählich im Laufe all der vielen Jahre. Bei manchem Kompromiss denke ich mir öfter: ‚Gott… sind wir zahm geworden. Das hätt’s früher so nicht gegeben…‘

Wir erlebten aber auch wie sich viele Dinge grundlegend änderten. Wir erlebten wie ganze Nationen begannen aufeinander zu zugehen, Grenzen und Mauern fielen. Aus Feinden wurden vielleicht nicht immer die besten Freunde aber doch zumindest friedliche Nachbarn. Aus einem geteilten Deutschland wurde wieder eins. Die Mauern und Grenzen in den Köpfen… nun… bei so manchem sind die bis heute nicht gefallen. Beschämend genug.
Aber ist es nicht eigentlich beschämender, dass es gerade unter anderem unsere Generation ist, die die Politiker stellen, die heute regieren sollen und denen ich ganz persönlich viel zu oft Dünkel, Hirnlosigkeit und manchmal sogar Korruption unterstellen möchte? Haben wir denn wirklich so gar nichts dazu gelernt?! Na, sicherlich hier und da und manche Dinge machen wir vielleicht wirklich besser als die Generationen vor uns. Aber andererseits muss man eben auch eingestehen, dass so einige der früheren Kämpfe letztlich umsonst waren. Da tröstet es auch nicht, dass man zu sich selbst sagen kann: „Du hast es immerhin versucht. Du bist auf die Straße gegangen.“

…und dann war da noch die Technik…
Erinnert ihr euch noch? Schwarz-weiß-TV mit Umschaltknopf *klackklackklack*?! Dann die ersten Farbfernseher und dann die ersten mit Ultraschall-Fernbedienung. Dieses elendige Gefiepse immer, wenn man umschalten wollte und WEHE man zielte nicht ganz genau… laugh Was für ein Aufwand für, mit etwas Glück, gerade mal 4 bis 5 Programmen. Es folgten die Infrarot-Fernbedienungen und schließlich die privaten Sender, gefolgt vom Boom der Satelliten-Schüsseln auf den Dächern und Balkonen.

Wir wissen nicht nur, was ein Wählscheiben-Telefon ist, neeeeiiiihen… wir können es sogar bedienen! Wir sind damit groß geworden. Wir kennen so gar noch die gelben Telefonhäuschen mit MÜNZ-Fernsprechern an ungezählten Straßenecken. Wollja! Es wurde noch mit Münze telefoniert. Später gab es dann auch Telefonkarten und Tastentelefone und die Telefonhäuschen wurden nach und nach magenta und weiß.
Die ersten Mobiltelefone konnte sich kaum einer leisten, mal ganz davon abgesehen, dass die Dinger das Format großer Handtaschen hatten und gleich mehrere Kilo auf die Waage brachten. Immerhin hatten sie aber schon ein Display, wenn auch nur schwarz auf grau. Das A-Netz hat wohl kaum einer so wirklich mitgemacht. B-Netz sagt sicher schon mehr Leuten was aber so richtig bekannt wurden Mobiltelefone erst mit dem Aufkommen des C-Netzes und fürs Volk ein Handy kam mit dem D- und später E-Netz in Schwung. Von Internet und Computer hat da noch kaum ein Mensch geredet. Das war alles noch Zukunftsmusik a la Wargames, TRON, Startrek und Starwars. Wir kennen noch Handys die ehrlich nix anderes konnten als Telefonieren ermöglichen. Dann kamen Klingeltöne zum Download, Wecker und Kalender-Funktionen, Spiele und irgendwann kam jemand auf die Idee die Displays farbig zu machen und dann hielt auch bald die Kamera am Handy Einzug. Heute wissen so einige nicht mal mehr, was ein S4 war… oder ein Nokia 3710… *hust* ;) … und würde sich vermutlich wundern, warum mit dem Finger übers Display wischen so gar nix bringt. Man könnte sich totrubbeln… erm… lassen wir das.

Die ersten Computer, die so gaaaaanz allmählich mal erschwinglich wurden, warteten mit dem schier unendlichen Speicherplatz von z.B. 20 MB auf. Aber das schönste war immer noch die Installation von DOS (6 Disketten) oder Windows 3.11 (schlagt mich nicht… waren glaube 15 Disketten oder so… müsste ich mal im Keller wühlen gehen *hust*). Da bekam der Begriff „Disk-Jockey“ gleich eine ganz andere Note. Ich bin jedenfalls mit einem Disketten-Laufwerk groß geworden und Tatsache habe ich bis heute noch eins im Rechner (der allerdings nun schon gute 7 Jahre alt ist, das Laufwerk gebrauche ich definitiv schon seit Jahren nicht mehr).
Von Internet redete anfangs auch noch kein Mensch. Als es dann kam, dann ging das noch per Modem via Telefon-Anschluss. Da kam dann schon mal der Vorwurf: „Kannst mal aus’m Netz gehen? Will telefonieren!“ Oder Mama beschwerte sich, dass bei uns immer dauer-besetzt wäre. Ganz zu schweigen vom ewigen Aufpassen auf die Zeiten. Das kostete ja noch Unsummen. Flatrate waren da noch Ammenmärchen aus den USA.
Schließlich kam dann ISDN und Kanalbündelung. Voll der Highspeed-Sprung von 56K auf stolze 128k. Heute kriege ich die Krise bei so was. Damals freuten wir uns einen Keks weil es so waaaaahnsinnig schnell ging… *hust*
Heute haben wir DSL und Co. und 128kbit/s klingen ungefähr so wie fahren mit der Dampflok. Aber… wir waren dabei! ;)

Tja… und wer erinnert sich nicht an die komischen schwarzen Scheiben mit dem Loch in der Mitte. Die gab es in klein und groß und die mussten man mit unterschiedlicher Geschwindigkeit abspielen: Schallplatten! Für die mobile Musik gab es dann noch die Tonband-Kassette und entweder schleppte man gleich den Ghettoblaster mit (den man öfter auch schon mal rein aus Prestige-Gründen mitschleifte; wer einen hatte, der galt schon was ^^ ) ooooder den allseits beliebten Walkman. Ach ja… und die Mukke konnte man sich noch ganz bequem direkt vom Radio-Sender auf Kassette ziehen oder kopierte sie sich von Freund/Freundin (Doppel-Tapedecks waren echt beliebt) und es stand einem nicht gleich die Gema im Genick, wenn man mit seinem Ghettoblaster gleich den halben Badesee unterhielt, geschweige denn, dass man sich überhaupt Kopf über Raubkopie oder ähnliches machen musste. Da war das alles nämlich noch legal und normal.
Mit aufkommen der Silberlinge, sprich CD’s, ersetzte dann der Diskman den Walkman. Das ging aber wesentlich langsamer als gedacht. Anfangs war das ja auch nicht so einfach mit dem selber Aufnehmen. Brennen und Co. kam dann ja doch bissel später in Mode. An MP3, OGG und Co. dachte da noch niemand.

Kassetten gab es auch in einem ganz anderen Bereich: Video!
Anfangs kannte man noch den Kampf BetaMax vs. VHS. Wie so oft wurde der weitere Weg durch die Konzerne, in diesem Fall die Filmindustrie, entschieden. Betamax war zwar eigentlich das bessere System, VHS aber eben das kostengünstigere. Also wurden Filme irgendwann nur noch auf VHS hergestellt. Filme selber aufnehmen war auch kein Hexenwerk: So ein Videorekorder funktionierte im Grunde genauso easy wie die Tapedecks im Radiorekorder. Auch hier gab es noch keine Diskussion über Raubkopien und Illegalität. Aber immer spannende Aufnahme-Abende im Kampf gegen die allseits verhasste Werbung im Film, die man natürlich NICHT auf Band haben wollte. Ich habe das öfter mal verpeilt und bin so zu einem sehr seltenen Unikum der Werbegeschichte gekommen: Der Exorzist – das Mädel kotzt dem Pfaffen auf den Talar, Schnitt, Maggi-Werbung für Erbsensuppe!
Ein echter Klassiker. laugh
Schließlich kamen auch hier die Silberlinge auf: DVDs und Jahre später dann BlueRay.
Aufnehmen ist heute meist nur noch auf interner Festplatte von Playern oder sog. TV-Boxen möglich und kopieren der Aufnahmen geht so gut wie gar nicht mehr. Jedenfalls nicht ohne einigem Aufwand und Kenntnissen und im Grunde steht man schon allein beim Gedanken mit halbem Bein im Knast. Was allerdings durchaus verständlich ist. Zumindest für mich. Die für-lau-Mentalität hat mittlerweile Züge und Formen angenommen, die gerade eher unbekannten Künstlern den Lebensunterhalt kosten können. So eine Kopier erreicht heute ja nicht mehr nur den Familien- und Freundeskreis sondern unter Umständen eben gleich Millionen von Menschen um den ganzen Erdball herum. Dimensionen also, die aus einem Kavaliersdelikt früherer Jahrzehnte eben schlichtweg eine schwere Straftat machen. Was in der heutigen Zeit auch gut so ist. Was nicht heißt, dass man die Machenschaften einer Gema akzeptieren oder gar gut heißen muss. DAS ist schon wieder ein völlig anderes Kapitel.

Last but not least erlebten wir auch das erste Startrek-Feeling schlechthin: Lesen und arbeiten auf Tabletts. Sei es nun der eReader, der wohl irgendwann vielleicht doch noch das gedruckte Buch verdrängen wird, oder die immer ausgefeilteren Tabletts unter Android oder Convertible-Ultrabooks, die nun auch mit Touch-Technologie auf den Markt kommen. Wir sind gar nicht mehr all zu weit von jener Zukunft entfernt, die in den 70ern und 80ern immer wieder gerne mal als Fantasterei abgetan wurde. Das ist gerade mal rund 35/40 Jahre her.

Was bedeutet es also ein Kind der 80er zu sein?
Wenn ich so drüber nachdenke, dann sind wir vor allem eines: Flexibel wie kaum eine andere Generation vor oder (bisher) nach uns. Vieles, was heute nur noch in einem Museum angeschaut werden kann, haben wir erlebt und gelebt. Wir sind nie stehen geblieben. Ein Leben lang haben wir uns immer neuen Dingen geöffnet, ausprobiert und angepasst. Es gäbe ein Informations-Zeitalter wie heute erst gar nicht, wenn wir die Entwicklung dahin nicht mitgetragen und sicherlich auch forciert hätten. Natürlich hat auch dieses Zeitalter, wie alle vorhergehenden auch, seine Schattenseiten. Aber noch sind wir da und vielleicht gelingt es uns gemeinsam mit unseren Kindern den einen oder anderen Schatten noch zu vertreiben. Allerdings denke ich auch, dass wir es wohl auch versäumt haben unsere Selbstständigkeit und unser „Rebellentum“, auch mal deutlich NEIN sagen, unseren Kindern bei zu bringen. Komfort ist toll aber viele haben sich ihre Wohlfühlzone aus Bequemlichkeit geschaffen und nach ihnen die Sintflut.

Ein oft zitierter Spruch der 80er hat heute vielleicht mehr Gewicht als zu unserer Zeit: „Wir haben diese Welt nur von unseren Kindern geliehen.“

Vic
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Klein, bekloppt, chaotisch, unkonventionell und erwachsen werden ist nicht mehr drin. ;) Technik-affin, Spiele-Freak, Leseratte und noch so einiges mehr. Vor allem aber ohne meine Fellnase(n) total aufgeschmissen! Willkommen in meiner kleinen, verrückten (Märchen-)Welt. Noch Fragen? Dann fragt doch einfach! ;)