
Vor ein paar Wochen wunderten wir uns einfach nur: Mitten auf unserem neu erschaffenen Wetzelplatz des alten Phoenix-Geländes tauchte eine hübsche, knallrote, englische Telefonzelle auf. Im Inneren befand sich allerdings kein Telefon sondern ein leeres Regal. Wir rätselten ein paar Tage, spekulierten über vorweihnachtliche Werbeaktionen usw.
Dann tauchten die ersten Bücher auf dem Regal auf und das Rätsel wurde irgendwie nur größer. Klar… ich bin Frau genug um meiner Neugierde nach zu geben. Also probierte ich die Tür der Telefonzelle aus. Sie war offen. Es konnte also jeder einfach so da rein und sich im Grunde an den Büchern bedienen. Okay, es waren nicht gerade die neusten Ausgaben und schon gar nicht Bestseller aber durchaus interessante Stücke dabei. Zum Beispiel eine wirklich gut erhaltene Ausgabe des alten Klassikers „Palast der Winde“. Bei dem juckte es mich echt in den Fingern. Es ist schon ganze Jahrzehnte her, dass ich das Buch gelesen hatte. Aber es gehörte nun mal nicht mir und die ganze Zelle gab eben immer noch Rätsel auf. Also schloss ich brav die Türe wieder ohne auch nur ein Buch angefasst zu haben und wir machten uns wieder auf den Weg der Zeitungstour.
Auf die Lösung des Rätsels mussten wir aber nicht mehr all zu lange warten. Bald schon tauchte ein Info-Schild an der Tür der Zelle auf. Genau das offenbarte eine – wie ich finde – einfach tolle Idee: Ein offener Bücherschrank.
Die Regeln sind denkbar einfach: Nimm dir heraus was du magst und stelle dafür was anderes ein. Natürlich sollte dieser Tausch auf Dauer einigermaßen ausgeglichen sein. Einfach um schon mal den Grundbestand zu sichern. Natürlich sollten es Bücher sein, die keinerlei Rechte verletzen oder die üblichen Konventionen von Anstand und Sitte. Immerhin ist das Ding nun mal öffentlich zugänglich. Also auch für Kinder und Jugendliche! Spätestens ab diesem Punkt sollte man einfach auch den Hirnkasten einschalten bevor man wahllos einstellt. Soweit also so gut.
Noch ein paar Tage später rückte ein kleines Team an, welches zwei Bänke an der kleinen Umfassungsmauer in direkter Nähe zum Bücherschrank installierten. Die klare und hübsch umgesetzte Einladung sich doch auch einfach mal die Zeit und Muse zu nehmen in einem Buch direkt vor Ort zu schmökern. Eingedenk der Jahreszeit natürlich vielleicht im Moment nicht sonderlich attraktiv aber spätestens im Frühjahr und Sommer kann ich mir das durchaus richtig gut vorstellen. Alleine bleibt man da mit der Zeit sicherlich auch nicht all zu lange. Es lesen immerhin mehr Menschen gerne, als man gemeinhin so annimmt. ;)
Es stand immer noch mein kleiner Favorit „Palast der Winde“ in dem Regal. Aber ich hatte natürlich kein Buch zum Tauschen mit. Eigentlich hätte das kein Problem sein müssen. Ich wohne kaum 3 Minuten von dieser lauschigen Telefonzelle weg. Ich hätte es einfach mitnehmen und später eines meiner Bücher einstellen können. Zumal um diese frühe Uhrzeit eh kein Mensch mitbekommt ob ich da was raus nehme oder nicht. Keine Ahnung. Vielleicht habe ich da einfach eine etwas verquere Ansicht darüber was richtig ist und was nicht. Jedenfalls nahm ich das Buch nicht mit, verschob das Vorhaben auf später, wenn ich dann ein adäquates Tauschobjekt dabei hätte…
…und kam damit natürlich zu spät. ^^ Mein Buch ließ ich trotzdem da. Wenn mir wieder ein Werk begegnet, dass ich gerne mal (wieder) lesen würde, dann habe ich wenigstens schon was dafür getan und dürfte weniger Skrupel haben.
Auch sonst finde ich die Idee einfach genial. Ich habe z.B. genug Bücher rumstehen, die ich sowieso nicht mehr lese. Und das hier war doch eine tolle Sache sie mit anderen zu teilen, die vielleicht mehr Interesse an den Exemplaren haben. Lesen zu fördern finde ich sowieso immer gut.
Innerhalb der ersten Tage wuchs der Bestand tatsächlich beständig und es befand sich weit weniger „Schrott“ darunter als ich zunächst befürchtet hatte. Ein mal mehr zeigte sich, dass die Moritzberger tatsächlich ein Völkchen für sich sind. Teilweise noch regelrecht dörfliche Strukturen basierend auf guter Nachbarschaft und Gemeinsinn. Mitten in der Stadt eine kleine Insel stolzer und zum Teil auch durchaus sturer Dörfler der sympathischen Art.
…und dann kam jüngst der Tag, der mich mal wieder darin bestätigte, wie egoistisch, gierig und rücksichtslos die Menschen meist doch sind!
Die Klasse 4c der hiesigen Grundschule hatte fleißig Kinderbücher gesammelt. Insgesamt kamen immerhin 48 Stück zusammen und wurden – zurecht stolz auf ihre Leistung – im Klassenverband in den Bücherschrank eingestellt. So war der nun auch für Kinder eine interessante Anlaufstelle. Ich freute mich wie Bolle mit den Kleinen. Leider habe ich selbst so gar keine Kinderbücher mehr. Aber ich nahm mir vor mich mal in meinem, wenn auch überschaubaren kleinen, Verwandten- und Bekanntenkreis umzuhören. Es kostet doch eigentlich so wenig eine gute Sache zu unterstützen. Vor allem, wenn es um unsere Kinder geht – auch wenn ich selber leider keine habe.
Kaum zwei Tage später aber kam der Schock… Es tauchten mehrere Zettel in Kinderschrift auf. Neugierig las ich, was die Kleinen zu erzählen hatten und war einfach nur unsäglich traurig:
Kaum standen die Kinderbücher in den Regalen, tauchten wohl zwei Frauen auf und nahmen jede ca. 15 Kinderbücher aus dem Bücherschrank ohne auch nur eines im Tausch einzustellen!
Gut… man hätte vielleicht denken können, das würde noch nachgeholt werden aber wie schon von allen befürchtet blieben die Bücher verschwunden und es wurden auch keine anderen wieder eingestellt. Das machte die Kids, die über einige Zeit gesammelt hatten, richtig wütend und konnte ja nur enttäuschen. Genau das war auf all den Zetteln der Viertklässler zu lesen. Zudem ein Appell an die beiden Diebinnen – denn nichts anderes sind sie in meinen Augen – wenigstens einen Teil der Bücher wieder zurück zu bringen. Natürlich fruchtete der bisher überhaupt nicht. Leider…
…und mich stimmt es einfach mal wieder nur traurig. Leider konnte ich bisher auch noch keine Kinder- und Jugendbücher auftreiben, die ich als Ausgleich gerne gespendet hätte, was die ganze Sache zumindest für mich persönlich noch trauriger macht.
Ein mal mehr hat unsere Gesellschaft bewiesen, dass sie zu allem Schlechten fähig ist. Ohne Rücksicht, nur auf den eigenen Vorteil bedacht und in keinster Weise zum sozialen Miteinander fähig. Es mögen wirklich nur wenige sein, die zu so einer Tat fähig sind aber gerade diese Wenigen verursachen immer wieder immensen Schaden und es ist ihnen auch noch völlig egal. Wie kann man nur so Gewissen-los sein? Es sind Kinder, verdammt noch eins! Kinder, die gerade nur eines gelernt haben: Es lohnt nicht sich für eine gute Sache zu engagieren, denn es wird immer jemanden geben, der sich an der Arbeit und dem Guten anderer bereichern werden. Ist es das, was wir unseren Kindern vermitteln wollen? Ist es das, was ihre Zukunft bestimmen soll? Misstrauen, Härte und verweigern von Hilfsbereitschaft. Mir gruselt mal wieder richtig vor der Zukunft der Menschheit…
Aber ich suche noch immer Kinder- und Jugendbücher. Irgendwo werde ich noch ein paar auftreiben. Hoffe ich. Wer, wenn nicht wir, soll den Kids zeigen, dass es auch anders geht und nicht alles einfach nur missbraucht wird.