Unkraut vergeht einfach nicht – Teil3

IC Writing

Ich hatte noch nie ein wirkliches Problem mit Krankenhäusern. Weder als Besucher, noch als Patient. Ganz im Gegenteil fand ich schon als Kind Krankenhäuser immer ziemlich faszinierend. Wäre mir meine Größe nicht in die Quere gekommen – die damals tatsächlich eine Zeit lang mal ein Einstellungs-Kriterium war – hätte ich vermutlich beruflich den Weg zur Krankenschwester eingeschlagen. Sollte wohl nicht sein. Meine Faszination für Medizin an sich verlor ich jedoch nie so ganz. Entsprechend kratzen mich Krankenhäuser nicht wirklich. Ich kenne auch keine Langeweile im Krankenbett. Es gibt eh viel zu viel Bücher auf dieser Welt als das man sie alle lesen könnte und so ein Krankenhaus ist da doch ideal seiner Leidenschaft zu frönen.
Eingedenk diesen Hintergrundes sah ich es also noch recht gelassen, dass die behandelnde Ärztin mit zwei Schwestern und einem Bett im Schlepptau wieder auftauchte. Die Botschaft dieser Szene war klar: Nach Hause kommst du heute nicht mehr. Okay… Das muss noch nicht viel heißen.

Während also die Ärztin darüber dozierte das und warum ich hier bleiben müsse wurden auch die etwas unangenehmeren Dinge wie Zugang legen getätigt. Ich mag Nadeln nicht sonderlich. Wer mag die schon, wenn sie in deinen Körper gepiekst werden und dann auch noch da verbleiben sollen. Wie zu erwarten war es mal wieder ein nettes Ratespiel wo denn nun eine passende Ader zu finden sei. Am Ende steckte die Kanüle – wie schon so oft – mal wieder im Handrücken. Ziemlich lästige Position eigentlich. Immerhin beherrschte die Schwester ihren Job perfekt. Das Ding saß sauber und erstaunlicherweise auch schmerzfrei an Ort und Stelle.
In der Zwischenzeit hatte ich die Bestätigung bekommen, die ich eigentlich nicht haben wollte: Ich hatte einen Infarkt gehabt. Den Ausführungen der Ärztin zufolge hatte ich dann auch noch verdammt viel Glück in den letzten Tagen seit dem gehabt. Genauso gut hätte ich einschlafen und nicht mehr aufwachen können. Sie meinte doch glattweg, ich müsse physisch gesehen im Grunde eine echte Rossnatur besitzen um bisher ohne größere Probleme durchgehalten zu haben. Im Stillen dachte ich mir auch nur, dass ich diese benannten größeren Probleme erst gar nicht wissen will…

Während ich in mein Bett umzog, mir meine Habseligkeiten ans Fußende gestellt wurden und man mir auch gleich noch so ein Plastikbändchen mit meinem Namen, Geburtsdatum und Patientennummer um das Handgelenk legte, ging die Ärztin noch allerlei Papierkram mit mir durch. Ehrlich gesagt verstand ich nicht mal die Hälfte von dem, was sie mir da erklärte. Alles was klar war, war wohl die Tatsache, dass ich den Kram unterschreiben musste und damit auch gleich mal meine Einwilligung zu einer OP und Anästesie und anderen Kleinigkeiten gab. Erm… ja, von mir aus. Nu auch schon alles egal…
Auf die Frage nach einer Telefonnummer meiner Angehörigen wusste ich dann allerdings mal so gar keine Antwort… Normalerweise wusste ich die meiner Mom eigentlich auswendig. Aber hier und jetzt wollte mir die partout nicht einfallen. Wenn Frau schon anfängt trotzig zu werden… streikt der Hirnkasten auch jedes Mal mit. grrrr…
Weiterhin wurde mir mitgeteilt, dass ich auf die Intensivstation der Kardiologie käme, dort eventuell noch was zu essen bekommen würde, sofern die weiteren Laborergebnisse es zulassen würden. HÄ?! Ja… man würde mir auf Station gleich noch mal Blut abnehmen und gegen 23 Uhr noch mal. Je nachdem was dabei raus komme, würde ich dann wohl noch was zu essen bekommen. Aha… Na… essen klang doch schon mal nicht sooo schlecht. Ich verbuddelte die Info „Intensivstation“ einfach mal unter dieser Ankündigung. Essen nahm dem Ganzen einfach die Bedrohlichkeit. Essen war so schön simpel und normal. Auch wenn ich eigentlich so gar keinen Hunger hatte. Aber wenn ich essen durfte, würde ich sicher auch was zu trinken bekommen. Alles halb so wild…

Endlich ging es los. Raus aus der Notaufnahme, durch diverse Gänge, in einen Fahrstuhl, wieder durch Gänge und dann in eine halbdunkles Zimmer in dem bereits zwei belegte Betten standen.
Monitore an den Wänden, auf denen diverse Kurven beständig nachgezeichnet wurden, Infusionsständer, leise, klickende Geräusche… Es war klar, dass das hier nichts mit einem simplen Krankenzimmer zu tun hatte. Immerhin war es aber auch offensichtlich „nur“ halb-intensiv und nicht intensiv. Es gibt da durchaus Unterschiede. Der eklatantest ist unter anderem, dass es keine Beatmungsgeräte und auch kein nerviges Dauergepiepse gibt. Also alles halb so wild… Der Mensch ist echt gut darin, sich selbst was vorzugaukeln.

Wie angekündigt kam die nächste Vampirette um mir Blut abzuzapfen. In einem Anflug von Galgenhumor meinte ich etwas trocken: „Ihr wisst aber schon, dass ich nicht über unendlich Blut verfüge. Nicht dass ich hier als vertrocknetes Etwas rausstaube…“ Die Vampirette lachte. Na immerhin eine mit Humor. Das kennt man durchaus auch anders. In der Zwischenzeit durfte ich aus meiner Tasche Schlafklamotten und andere Kleinigkeiten kramen. Dann wurde die Tasche in meinen Schrank gestellt, mir noch erklärt, dass alles mit einem grünen Punkt zu meinem Bett gehöre – „Grüner Punkt? Ich bin recyclingfähig? Wow!“ – und das ich keinesfalls aufstehen dürfe. Bitte was? So gar nicht? So gar nicht! Und wenn ich mal auf WC… Dann klingeln Sie bitte und bekommen – ARG! DAS UNWORT schlechthin – eine Bettpfanne. Diese letzte Tatsache ging mir nu gar nicht in den Kopf und Frau versuchte sich in leisem Protest. Immerhin war ich auf meinen eigenen Füßen hier reinmarschiert! Da würde so ein Trip auf das Patienten-Bad im Zimmer ja wohl ein Klacks sein! Sie stehen KEINES FALLS auf! Ende der Diskussion. GRRRRMPF!
Wäre ich nicht so müde gewesen, hätte ich vielleicht doch weiter argumentiert. Oder vielleicht auch nicht… Ich diskutiere ja schon länger nicht mehr, füge mich und Ruhe ist. Aber die Tatsache Bettpfanne wurmte mich gewaltig. War einfach nicht einzusehen. Wie gesagt… Mensch ist recht gut darin sich Dinge vorzugaukeln und sei es, dass es einem doch gut ging. Was dann ja doch recht paradox ist, wenn man schon dazu verdonnert wurde in einem Krankenhaus zu logieren.

Das die Lage deutlich ernster ist, als ich mir versuchte einzureden, wurde dann klar, als man anfing mich zu verkabeln. EKG, Blutdruckmanschette (der ich noch den Krieg erklären würde), Pulsmesser, Sauerstoff… Sauerstoff?! Wieso Sauerstoff? War ja nicht so, dass ich gerade ersticken würde. Diese blöden Plastikteile unter der Nase sind mehr als lästig! Weil der Sauerstoffgehalt im Blut bedenklich niedrig wäre… Aha… Frau fügt sich. Infusionsautomat. Was da drin? Blutverdünner, damit ihr Herz es leichter hat. Skeptisch betrachte ich mir die Monsterspritze für den Apparat und bin einfach nur froh, dass mir das Teil nicht in irgendein Körperteil gerammt werden würde. Die Kanüle dazu müsste geradezu biblische Ausmaße haben. Immerhin ist die Vampirette, die den Automat anschließt, richtig glücklich über meinen gelegten Zugang. Das nämlich ein Zweiwege-Zugang, wie sie mir richtig happy erklärt. Aha? Das für mich wichtigste an diesem Umstand war die Tatsache, dass man mich weniger pieksen musste, weil halt mehrere Infusionen da dran konnten und auch Blut abgezapft werden konnte. Ok. Ich bin auch happy über das Luxus-Teil. Schon verrückt mit was man sich so zufrieden zeigen kann…

Endlich war man mit allem durch. Inklusive diverser Erklärungen, die ich mittlerweile einfach nur noch abnickte und das Verdauen auf später verschob. So langsam wurde mir der ganze Zirkus echt zu viel. Die Schwestern zogen ab und ich dachte, nu bekäme ich mal eine Verschnaufpause. Also suchte ich mir erst Mal eine bequemere Lage in diesem vermaledeiten Bett. Links und rechts rührte sich nicht viel. Die Damen waren wohl am Schlafen oder zumindest am Dösen. Rechts hörte sich das alles nicht so toll an. Der Lady schien es ziemlich mies zu gehen. Na ja… wegen nix landet man nicht auf so einem Zimmer. Dass das im Grunde auch für mich galt, darüber wollte ich erst gar nicht nachdenken. Mir ging es doch gut.
Ich kuschelte mich so gut es eben ging unter die Decke, meine Maus, ohne die ich nirgends hin gehe wenn ich fremdübernachten muss, im Arm. Ich war froh endlich ein bisschen Ruhe zu haben als plötzlich diese dusselige Blutdruckmanschette sich regte. Wtf ist denn nun los? Das Ding pumpte sich automatisch auf und zwar derart, dass ich echt dachte, noch ein bissel und du blödes Teil quetschst mir den Arm ab! Schließlich war das Ding wohl mit messen fertig und die Luft entwich wieder aus dem Teil. Na, das konnte ja noch heiter werden. Ich wollte mich gerade wieder in die Decke verkuscheln, da wurde schon wieder die Tür aufgerissen und ein ziemlich gut gelaunter Pfleger schallmeite „Guten Abend, die Damen“ – in den Raum. Als nächstes landete eine halbliter Flasche Mineralwasser auf meinem Rollcontainer und eins von diesen Mini-Plastikbecherchen mit diversen Tabletten. Bitte sofort nehmen. Sie dürfen trinken aber immer nur Schluckweise. Aha. Und ich dürfe KEINES FALLS aufstehen… jaaaa… hab ich nun begriffen. Mit dem ganzen Kabelkram würde das sowieso schwierig werden.

Endlich kehrte mal Ruhe ein.
Argwöhnisch blinzelte ich die Flasche Mineralwasser an. Das ist so eine Sache mit Durst und Trinken… Was oben rein kommt muss irgendwann unten auch wieder raus. Bei letzterem Punkt geisterte auch gleich wieder die Horrorvision „Bettpfanne“ durch meine Gedanken. Da half wohl nur: Zähne zusammen beißen so lange es irgend geht! Spätestens Morgen musste das geklärt werden. Ich mag ja noch so pflegeleicht agieren aber bei dem Thema wurde ich schon immer stur und ich hatte echt nicht vor daran hier und heute was zu ändern. Seelig sind die Unwissenden…

Endlich mehr oder minder mit mir alleine kramte ich mein Handy vor. Es gab da so den einen oder anderen, den ich vielleicht mal irgendwie informieren sollte. Bisher hatte sich noch keiner beschwert, dass ich ein Handy dabei hatte und es hatte mich auch keiner darauf hingewiesen, dass ich es aus machen müsse. Das es mittlerweile sogar erlaubt ist ein Handy im Krankenhaus zu benutzen, erfuhr ich erst viel später. So also verkroch ich mich fast gänzlich unter die Decke und verschickte erst mal zwei SMS – an Marco und meine Mom – und schickte noch eine Message in die Hexengruppe. Ein Hoch auf meine Internet-Flat! Das war genau die Situation, wo sie richtig Gold wert wurde. Zu mal nicht mehr all zu viel Guthaben auf der Karte war.
Die SMS an meine Mom war allerdings so eine Aufgabe für sich… Man kann es formulieren wie man will, die Nachricht als solche ist einfach ein blöder Hammer, der sich einfach nicht relativieren lässt. Schon gar nicht per SMS-Kurznachricht. Glücklicherweise hatte meine Mom sich wohl im Griff. Es kam nämlich „nur“ eine SMS zurück und keiner ihrer Panik-Anrufe. Insoweit war die SMS wohl gut genug formuliert. Ich kenn‘ doch meine Mutter! Zu kurz informiert hätte die schon den Koffer gepackt bevor man die SMS noch fertig gelesen hätte.

Gegen 23 Uhr kam ein Vampirnator. Überhaupt wuselten ziemlich viele Pfleger auf der Station rum. Bisschen ungewohnt aber keinesfalls störend. Solange ich keinen Striptease vor denen machen musste.
So langsam funktionierte das mit dem Blut abnehmen auch besser. Der Blutverdünner tat offensichtlich seinen Dienst. In einer halben Stunde wüsste man dann auch ob ich noch was zu essen bekommen könnte. Und ich solle doch ein bissel was trinken… HMPF! Auf meiner Stirn lief garantiert ein Leuchtband: Ich hasse BETTPFANNEN! Ich bedachte den Pfleger mit meiner Version eines vernichtenden Blickes als er sich anschickte das Zimmer zu verlassen. Das dürfte er aber nicht mal gesehen haben, in dem diffusen Halbdunkel des Raumes.
Thema Essen war mir mittlerweile auch egal. Ich war einfach nur müde und wollte meine Ruhe haben. Genau die zu bekommen war indes doch etwas arg schwierig. Denn exakt alle 15 Minuten meldete sich die Blutdruckmanschette. Das Ding nervte jetzt schon gewaltig!
…und weckte meine irgendwo in den tiefen verbuddelten rebellischen Geist. Gab es nicht irgendeine Möglichkeit das Teil auszutricksen? Ich betrachtete mir die Kabelage und den Monitor genauer. Mmh… vielleicht wenn man die Manschette selbst ein bissel lockert…
15 Minuten später wartete ich gespannt, was nun wohl passieren würde. Dieses Miststück plusterte sich auf wie ein balzender Truthahn! Locker? PAH! Ich pump‘ mich solange auf, bis es passt! Ok… das reichte also noch nicht. Vielleicht noch ein bissel lockerer. Noch mal 15 Minuten warten. Mittlerweile musste ich aufpassen, dass mir die Manschette nicht vom Arm rutschte. Das Gerät plusterte sich auf wie wild aber dieses Mal konnte es machen was es wollte, es reichte einfach nicht. Dafür kam aber genau das, an das ich natürlich gar nicht gedacht hatte: Die Tür ging mal wieder auf. Die Manschette plusterte immer noch vor sich hin als ein Pfleger an mein Bett trat und das Ding überprüfte. DAMN! Monitor. Klar doch! Das Ding ist natürlich mit dem Schwesternzimmer verbunden… Sobald was nicht stimmte tigerte natürlich jemand los. Mift!
Ich entkam dem Teil also nicht. Selbst wenn ich es frech ausstöpseln würde. Dreist genug wäre ich gewesen. Aber auf ständigen Besuch aus dem Schwesternzimmer legte ich auch nur bedingt wert. Die können – durchaus zurecht dann – irgendwann echt unangenehm werden. Frau fügte sich also mal wieder ins Unvermeidliche.

Kurz vor 24 Uhr kam dann noch mal eine Vampirette. Meine Werte seien nicht so toll und sie müsse noch mal… Von Essen kriegen war schon keine Rede mehr. Es gab aber auch sonst keine Informationen. was mir allerdings nun wirklich völlig egal war. Ich war einfach nur schlapp und müde.
Die Nacht wurde dann allerdings, dank dieser blöden Blutdruckmanschette, alles andere als erholsam. Man wurde immer wieder reichlich unsanft aus jedem noch so leichten Dösen gerissen. Das Thema Bettpfanne konnte ich leider auch nicht ganz umgehen… Ätzend. Erniedrigend. Peinlich… WIDERLICH!
Vampirette und Vampinator wechselten sich auch fast stündlich ab. Wenn die so weiter machten, dann würde ich hier echt noch mit einer Anämie raus kommen. Ich glaubte wirklich noch daran, dass ich spätestens Nachmittags wieder Zuhause sein würde.

Das erste wirklich Auffällige am nächsten Morgen war die Tatsache, dass es für mich kein Frühstück gab. Warum wollte/konnte/durfte mir keiner sagen. Ich müsse bis zur Visite warten. Aha…
Dafür kam dann ein Schwester-Duo und faselte was von Katheder legen. Bitte WAS?! Also langsam wurde mir das alles ehrlich zu dumm! Wozu zum Henker… Ja, das erkläre mir gleich meine Ärztin bei der Visite. Erm… hatte ich unterschrieben als Versuchskaninchen zu fungieren oder was? Ich kam um das Teil nicht herum. Aber mal ehrlich… auch wenn das Ding nicht unbedingt angenehm ist, immer noch besser als immer wieder eine Schwester zum Thema Bettpfanne behelligen zu müssen. Insofern legte sich mein Widerstand doch relativ schnell. War es auch nicht der Weg, den ich mir so vorstellte um diese blöde Schüssel rum zu kommen, es war immerhin ein Weg. Kompromisse sind auch was wert.
Bis zur Visite dauert es dann noch fast anderthalb Stunden. Genug Zeit sich mit noch einem Schlauch anzufreunden. So langsam wurde es ein echtes Glücksspiel eine einigermaßen bequeme Liegeposition zu finden ohne sich gleich zu erdrosseln.

Endlich kam die Ärztin und was die zu sagen hatte fegte auch die letzten mühsam aufrecht erhaltenen Schutzwälle hinweg. Mir ging es alles andere als gut. Ich war für eine Herz-Katheder-OP vor gesehen.
Wenn Horror-Visionen Wirklichkeit werden…

[to be continued]

Vic
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