Jedem sein Päckchen

Tour Kolumne

Die letzten Tage waren einfach nur Horror. Weniger vom Job her als der ganze Rest rundherum. Ich grübele sowieso schon immer aber es gibt eben auch Zeiten, in denen ich es mehr tue, sozusagen non-stop. Gerade auf Tour habe ich dann sowieso eigentlich viel zu viel Zeit für genau das, denn Ablenkung ist halt immer relativ und wenn du deinen Job eigentlich im Schlaf kannst…

Ihr kennt sicher auch diesen – irgendwie selten dämlichen – Spruch: „Immer wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.“
Von der Metapher her soll es wohl heißen, dass von irgendwo Hilfe oder Gutes oder whatever besseres kommt. Hach ja… Schmalzsprüche sind doch einfach… erm… schmalzig. Da finde ich die Version einer meiner Kräuterhexen doch irgendwie sinniger: „Wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo schlimmeres her.“

Mal ehrlich… Ich musste mir ja unlängst anhören, dass es da draußen auch noch andere mit Problemen gibt. Jahaa… natürlich gibt es die. Man muss nur die Türe aufmachen und steht mitten im dicksten Sumpf von Problemen, Ungerechtigkeiten und sonstigem Müll. Der Unterschied ist doch heutzutage eher marginal. Die Unterschiede in der Art der Probleme hängen irgendwie auch mittlerweile ziemlich direkt mit dem Inhalt deiner Geldbörse zusammen. Wer nix hat, darf noch mehr hergeben. Blubb…

Wie auch immer…
Natürlich bin ich nicht die einzige mit Problemen. Ich wage sogar zu behaupten, ich habe eigentlich noch relativ kleine Problemchen und im Großen und Ganzen geht es mir doch eigentlich gut. Ich mein hey… ich hab immer noch ein Dach über dem Kopf – was durchaus eine Zeit lang ganz anders hätte aus gehen können – ich hab was zu futtern, ich hab den Luxus eines akzeptablen Rechners mitsamt Internet uuuuuuuuuund… ich hab meine beiden Fellnasen.
Ich hab sogar einen kleinen Job, den ich durchaus mag. Zumindest die meiste Zeit. So… what?

Es liegt kein Trost darin gesagt zu bekommen, dass es anderen nicht anders geht. Tröstlich wäre viel eher zu wissen, dass es irgendwann auch mal wieder Zeiten für uns alle geben wird, in denen man nicht jeden Tag mit Sorgen, Ärger und Wahnsinn zu kämpfen hat. Tröstlich wäre zu wissen, dass dieser ganze Kampf nicht bis zum Ende aller Tage weiter gehen wird, sondern dass es auch irgendwann wieder Frieden geben wird, Zeit für die Dinge, die ein Leben mal glücklich machten, lebenswert. Was man nun unter lebenswert versteht, dass ist natürlich immer ziemlich subjektiv.
Tröstlich wäre zu wissen, dass der tägliche Kampf einen Sinn hat, etwas bringen wird, irgendwas verbessert mit der Zeit. Und ich meine mit „mit der Zeit“ nicht einen Zeitraum der nächsten 20, 30, 40 Jahre sondern in deutlich absehbarer Zeit.

Es ist nicht wirklich tröstlich zu wissen, dass es anderen nicht besser geht als einem selbst. Es ist einfach nur traurig. Als ob man nicht schon genug hätte, mit dem man zu kämpfen hat, wird man doch nur wieder daran erinnert, dass es auch den paar Menschen, an denen einen was liegt, auch nicht besser dran sind, oft genug so gar schlechter.

Nun… der Hinweis soll eigentlich auch nicht wirklich trösten. Eigentlich soll er ja nur sagen, dass man nicht alleine ist, das es auch andere gibt, denen es genauso oder doch recht ähnlich geht. Er soll dir sagen, dass man nicht aufgeben soll, dass man es schaffen kann. Andere schaffen es ja auch. Oh ja… tun sie. Immer einen Tag nach dem anderen überstehen. Aber macht man wirklich weiter, weil es die eigene Wahl ist? Es geht doch schon längst nicht mehr darum, dass man eine Wahl hätte. Die hat man nicht. Mal abgesehen von so manchem Problem, welches durchaus Haus gemacht ist, die meisten werden uns doch aufgezwungen. Wohl gemerkt von anderen Menschen und von Gesetzes wegen. Die Lücken im Maschendraht des Wohlfahrtstaates nehmen doch mittlerweile Ausmaße an in denen gleich ganze Existenzen auf einen Schlag drin verschwinden können.
Früher schlug man mal lang hin, holte sich eine blutige Nase, griff nach dem nächsten Seil und konnte sich wieder aufrappeln. Heute schlägt man lang hin und wer ein Mal liegt, muss aufpassen nicht gleich noch als Fußabtreter missbraucht zu werden. Aufrappeln ist nicht mehr.

Früher konnte man sich noch ein Beispiel nehmen an anderen, die auch ihre Probleme hatten und sie meisterten, aus der Misere wieder raus kamen. Heute bleiben die meisten in ihrer Misere stecken. Man kann viel zu viele Dinge nicht mehr meistern. Allein schon gar nicht.

…und das ist wohl noch der größte Schwachpunkt in meiner Misere. Genau der Punkt, den niemand wirklich versteht.
Denn ich BIN alleine. Der einzige, der hier nach spätestens zwei Tagen anfängt nach zu forschen wie es mir geht, ist Marco. Sonst gibt es niemanden mehr. Der Rest.. mh… Menschen, die man halt vom sehen oder so kennt. Aber niemand mehr, an den man sich wenden könnte oder auch einfach nur hin gehen um mal was anderes zu sehen als die eigenen 4 Wände – die ich allerdings mag, so ist es nicht… hier fühle ich mich wenigstens sicher…
Es ist einfach nicht zu kapieren, dass man eben keine Anrufe bekommt einfach so zum Klönen, keine Einladungen zum Grillen oder was man sonst noch so machen kann. Meine Erfahrungen der letzten Jahre sind da schlicht so aufgebaut: Melde ICH mich nicht mehr oder minder regelmäßig, wird es keinen Kontakt mehr geben. Sich bei mir zu melden ist nämlich nicht notwendig. Genau das scheine ich nicht wert zu sein. Aus den Augen, aus dem Sinn.
Das ist kein jammern, das ist ein Fakt – und genau den kann keiner nach voll ziehen. Man schaut mich immer ganz irritiert an, wenn ich davon erzähle, winkt ab und geht. Eben… man geht… und an der nächsten Ecke bin ich auch schon vergessen.  Einbahnstraßen halt. Ich habe aufgehört jede abzuklappern.

Es gibt Unterschiede. Nicht nur in der Art der Probleme, den Möglichkeiten. Aber wie so vieles wird eben auch die Sache mit den Päckchen, die jeder zu tragen hat, pauschalisiert. Ungeachtet der Begleitumstände.
Ich weiß, dass andere mehr und schlimmere Probleme haben, auch wenn ich nicht ständig bohre, nachhake, mit Fragereien rum nerve. Das heißt aber doch nicht, dass ich es ignorieren würde oder nicht Anteil nehmen würde. Ganz im Gegenteil mache ich mir so einige Gedanken, mache mir Sorgen. Immerhin – und das ist eben auch ein Aspekt, der all zu leicht vergessen wird – lenkt es auch immer mal wieder eine Zeit lang von der eigenen Misere ab.

Sprüche… es mag eine Zeit gegeben haben, in denen sie ihre Berechtigung hatten. Aber für die meisten ist diese Zeit schon längst abgelaufen. Sie haben sich abgenutzt, sie haben keinen Wert mehr. Es sind einfach nur noch Phrasen, Lückenfüller, wenn man sonst nichts mehr zu sagen hat oder weiß.

…und wenn wir nicht aufpassen, dann wird es mit so mancher Bezeichnung und den Werten für die sie mal standen, genauso gehen.
Facebook macht es ja schon sehr schön vor, wie sehr ad absurdum man einen Begriff wie „Freund“ führen kann…

Und Morgen, wenn ich dann hoffentlich wieder aus meinen Mega-Grübeleien raus bin, gibt es dann wieder die neusten Tour-Neuigkeiten der letzten Tage.

Wir lesen uns.

Wenn du denkst ich lache, schau mir in die Augen und sage mir, dass du die Tränen meiner Seele nicht erkennst.
(Kevin 2005)

Vic
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Klein, bekloppt, chaotisch, unkonventionell und erwachsen werden ist nicht mehr drin. ;) Technik-affin, Spiele-Freak, Leseratte und noch so einiges mehr. Vor allem aber ohne meine Fellnase(n) total aufgeschmissen! Willkommen in meiner kleinen, verrückten (Märchen-)Welt. Noch Fragen? Dann fragt doch einfach! ;)